Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

die Wege, die mir auf eisiger Bahn die Geister vor-
schrieben, auf denen ich Dich gewiß nicht verlieren
werde, da auch Du nicht umkehrst, und ich nie an Dir
vorüberschreiten werde, und so ist gewiß das einzige
Ziel alles Begehrens die Ewigkeit.


Die Reise nach der Stadt hatte der Krieg veran-
laßt. Wir flüchteten vor dem Getümmel der Östreicher
mit den Franzosen; es war zu fürchten, daß unser klei-
nes Stadtparadies mit seinen wohlgeordneten Lustre-
vieren nächstens unter den Hufen kämpfender Reiterei
zertrümmert werde. Der Feind war nur flüchtig durch
Feld und Wald gesprengt, hatte über den Fluß gesetzt
und die heimliche Ruh' des beginnenden Frühjahrs la-
gerte schützend über den Saatfeldern, deren junges Grün
schon aus dem schmelzenden Schnee hervorragte, da wir
wieder zurückkehrten.

Die kräftigen Stämme der Kastanienallee, Du kennst
sie wohl! manche Träume Deiner Frühlingstage flatter-
ten dort mit der jungen Nachtigallenbrut um die Wette,
wie oft bist Du dort an Liebchens Arm dem aufgehen-
den Mond entgegen geschlendert! Ich mag nicht dran

die Wege, die mir auf eiſiger Bahn die Geiſter vor-
ſchrieben, auf denen ich Dich gewiß nicht verlieren
werde, da auch Du nicht umkehrſt, und ich nie an Dir
vorüberſchreiten werde, und ſo iſt gewiß das einzige
Ziel alles Begehrens die Ewigkeit.


Die Reiſe nach der Stadt hatte der Krieg veran-
laßt. Wir flüchteten vor dem Getümmel der Öſtreicher
mit den Franzoſen; es war zu fürchten, daß unſer klei-
nes Stadtparadies mit ſeinen wohlgeordneten Luſtre-
vieren nächſtens unter den Hufen kämpfender Reiterei
zertrümmert werde. Der Feind war nur flüchtig durch
Feld und Wald geſprengt, hatte über den Fluß geſetzt
und die heimliche Ruh' des beginnenden Frühjahrs la-
gerte ſchützend über den Saatfeldern, deren junges Grün
ſchon aus dem ſchmelzenden Schnee hervorragte, da wir
wieder zurückkehrten.

Die kräftigen Stämme der Kaſtanienallee, Du kennſt
ſie wohl! manche Träume Deiner Frühlingstage flatter-
ten dort mit der jungen Nachtigallenbrut um die Wette,
wie oft biſt Du dort an Liebchens Arm dem aufgehen-
den Mond entgegen geſchlendert! Ich mag nicht dran

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="125"/>
die Wege, die mir auf ei&#x017F;iger Bahn die Gei&#x017F;ter vor-<lb/>
&#x017F;chrieben, auf denen ich Dich gewiß nicht verlieren<lb/>
werde, da auch Du nicht umkehr&#x017F;t, und ich nie an Dir<lb/>
vorüber&#x017F;chreiten werde, und &#x017F;o i&#x017F;t gewiß das einzige<lb/>
Ziel alles Begehrens die Ewigkeit.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Die Rei&#x017F;e nach der Stadt hatte der Krieg veran-<lb/>
laßt. Wir flüchteten vor dem Getümmel der Ö&#x017F;treicher<lb/>
mit den Franzo&#x017F;en; es war zu fürchten, daß un&#x017F;er klei-<lb/>
nes Stadtparadies mit &#x017F;einen wohlgeordneten Lu&#x017F;tre-<lb/>
vieren näch&#x017F;tens unter den Hufen kämpfender Reiterei<lb/>
zertrümmert werde. Der Feind war nur flüchtig durch<lb/>
Feld und Wald ge&#x017F;prengt, hatte über den Fluß ge&#x017F;etzt<lb/>
und die heimliche Ruh' des beginnenden Frühjahrs la-<lb/>
gerte &#x017F;chützend über den Saatfeldern, deren junges Grün<lb/>
&#x017F;chon aus dem &#x017F;chmelzenden Schnee hervorragte, da wir<lb/>
wieder zurückkehrten.</p><lb/>
          <p>Die kräftigen Stämme der Ka&#x017F;tanienallee, Du kenn&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie wohl! manche Träume Deiner Frühlingstage flatter-<lb/>
ten dort mit der jungen Nachtigallenbrut um die Wette,<lb/>
wie oft bi&#x017F;t Du dort an Liebchens Arm dem aufgehen-<lb/>
den Mond entgegen ge&#x017F;chlendert! Ich mag nicht dran<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0135] die Wege, die mir auf eiſiger Bahn die Geiſter vor- ſchrieben, auf denen ich Dich gewiß nicht verlieren werde, da auch Du nicht umkehrſt, und ich nie an Dir vorüberſchreiten werde, und ſo iſt gewiß das einzige Ziel alles Begehrens die Ewigkeit. Die Reiſe nach der Stadt hatte der Krieg veran- laßt. Wir flüchteten vor dem Getümmel der Öſtreicher mit den Franzoſen; es war zu fürchten, daß unſer klei- nes Stadtparadies mit ſeinen wohlgeordneten Luſtre- vieren nächſtens unter den Hufen kämpfender Reiterei zertrümmert werde. Der Feind war nur flüchtig durch Feld und Wald geſprengt, hatte über den Fluß geſetzt und die heimliche Ruh' des beginnenden Frühjahrs la- gerte ſchützend über den Saatfeldern, deren junges Grün ſchon aus dem ſchmelzenden Schnee hervorragte, da wir wieder zurückkehrten. Die kräftigen Stämme der Kaſtanienallee, Du kennſt ſie wohl! manche Träume Deiner Frühlingstage flatter- ten dort mit der jungen Nachtigallenbrut um die Wette, wie oft biſt Du dort an Liebchens Arm dem aufgehen- den Mond entgegen geſchlendert! Ich mag nicht dran

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/135
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/135>, abgerufen am 25.11.2024.