[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.Wie ich zum erstenmal vor Dir stand, -- es war So ist's wenn wir Nektar trinken, die Sinne sind Gestern kam ein Brief von Dir, ich sah das blaue Wie ich zum erſtenmal vor Dir ſtand, — es war So iſt's wenn wir Nektar trinken, die Sinne ſind Geſtern kam ein Brief von Dir, ich ſah das blaue <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0123" n="113"/> <p>Wie ich zum erſtenmal vor Dir ſtand, — es war<lb/> im Winter 1807 — da erblaßte ich und zitterte, aber<lb/> an Deiner Bruſt, von Deinen Armen umſchloſſen, kam<lb/> ich ſo zu ſeeliger <choice><sic>Nuhe</sic><corr>Ruhe</corr></choice>, daß mir die Augenlieder zufie-<lb/> len und ich einſchlief.</p><lb/> <p>So iſt's wenn wir Nektar trinken, die Sinne ſind<lb/> dieſer Koſt nicht gewachſen. Da mildert der Schlaf<lb/> den Sturm der Beſeeligung, und vermittelt und ſchützt<lb/> die gebrochnen Kräfte; könnten wir umfaſſen, was<lb/> uns in einem Moment geboten iſt, könnten wir ſein<lb/> verklärendes Anſchauen ertragen, ſo wären wir hell-<lb/> ſehend; könnte ſich die Macht des Glückes in uns<lb/> ausbreiten, ſo wären wir allmächtig; drum bitte ich<lb/> Dich, wenn es wahr iſt, daß Du mich liebſt, begrabe<lb/> mich in Deinem Denken, decke mir Herz und Geiſt mit<lb/> Schlaf, weil ſie zu ſchwach ſind, um ihr Glück zu tra-<lb/> gen. Ja Glück! wer ſich mit ihm verſtändigte, wie mit<lb/> einem Geiſt, dem er ſich gewachſen fühlte, der müßte<lb/> durch es ſeine irdiſche Natur zur göttlichen verklären.</p><lb/> <p>Geſtern kam ein Brief von Dir, ich ſah das blaue<lb/> Couvert auf dem Tiſch liegen und erkannte ihn von<lb/> weitem, ich verbarg ihn im Buſen und eilte in mein<lb/> einſames Zimmer an den Schreibtiſch, ich wollte Dir<lb/> gleich beim erſten Leſen die Fülle der Begeiſtrung nie-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0123]
Wie ich zum erſtenmal vor Dir ſtand, — es war
im Winter 1807 — da erblaßte ich und zitterte, aber
an Deiner Bruſt, von Deinen Armen umſchloſſen, kam
ich ſo zu ſeeliger Ruhe, daß mir die Augenlieder zufie-
len und ich einſchlief.
So iſt's wenn wir Nektar trinken, die Sinne ſind
dieſer Koſt nicht gewachſen. Da mildert der Schlaf
den Sturm der Beſeeligung, und vermittelt und ſchützt
die gebrochnen Kräfte; könnten wir umfaſſen, was
uns in einem Moment geboten iſt, könnten wir ſein
verklärendes Anſchauen ertragen, ſo wären wir hell-
ſehend; könnte ſich die Macht des Glückes in uns
ausbreiten, ſo wären wir allmächtig; drum bitte ich
Dich, wenn es wahr iſt, daß Du mich liebſt, begrabe
mich in Deinem Denken, decke mir Herz und Geiſt mit
Schlaf, weil ſie zu ſchwach ſind, um ihr Glück zu tra-
gen. Ja Glück! wer ſich mit ihm verſtändigte, wie mit
einem Geiſt, dem er ſich gewachſen fühlte, der müßte
durch es ſeine irdiſche Natur zur göttlichen verklären.
Geſtern kam ein Brief von Dir, ich ſah das blaue
Couvert auf dem Tiſch liegen und erkannte ihn von
weitem, ich verbarg ihn im Buſen und eilte in mein
einſames Zimmer an den Schreibtiſch, ich wollte Dir
gleich beim erſten Leſen die Fülle der Begeiſtrung nie-
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