[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.danken unter, auf die ich tröstende Antworten erfand. danken unter, auf die ich tröſtende Antworten erfand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0104" n="94"/> danken unter, auf die ich tröſtende Antworten erfand.<lb/> Ich erinnere mich, daß ich damals unter blühenden<lb/> Bäumen Ball ſpielte, ein junger Mann, der ihn fing,<lb/> brachte mir ihn und ſagte: „du biſt ſchön!“ — Dies<lb/> Wort brachte mir Feuer in's Herz, es glühte auf, wie<lb/> meine Wangen, aber ich dachte auf die Nachtigall, de-<lb/> ren Geſang mich wahrſcheinlich nächtlich verſchöne und<lb/> in dieſem Augenblick brach die heilige Wahrheit in mei-<lb/> nem Geiſte auf, daß alles, was über das Irdiſche er-<lb/> hebt, Schönheit erzeugt, und ich widmete mich der Nach-<lb/> tigall mit mehr Eifer, mein Herz hielt pochend ſtill, und<lb/> ließ ſich von ihren Tönen berühren wie von göttlichem<lb/> Finger — ich wollte ſchön ſein und Schönheit war mir<lb/> göttlich, ich neigte mich vor dem Gefühl der Schönheit,<lb/> und überlegte nicht, ob es äußerlich war oder innen. —<lb/> Indeſſen hab' ich bis heute immer in der Schönheit,<lb/> wo ſie ſich mir zeigte, eine nahe Verwandtſchaft gefühlt,<lb/> in Bildern und Statuen, in Gegenden, in ſchlanken<lb/> Bäumen. Obſchon ich nun nicht ſchlank bin, ſo regt<lb/> ſich doch etwas in meinem Geiſt, was dieſer Schlank-<lb/> heit entſpricht, und ob Du auch lächelſt, ich ſage Dir,<lb/> während ich mit dem Blick ihre himmelanſtrebenden<lb/> Wipfel verfolge, ſcheinen mir meine Eingebungen auch<lb/> Himmel anſtrebend, und wie im Windesrauſchen die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0104]
danken unter, auf die ich tröſtende Antworten erfand.
Ich erinnere mich, daß ich damals unter blühenden
Bäumen Ball ſpielte, ein junger Mann, der ihn fing,
brachte mir ihn und ſagte: „du biſt ſchön!“ — Dies
Wort brachte mir Feuer in's Herz, es glühte auf, wie
meine Wangen, aber ich dachte auf die Nachtigall, de-
ren Geſang mich wahrſcheinlich nächtlich verſchöne und
in dieſem Augenblick brach die heilige Wahrheit in mei-
nem Geiſte auf, daß alles, was über das Irdiſche er-
hebt, Schönheit erzeugt, und ich widmete mich der Nach-
tigall mit mehr Eifer, mein Herz hielt pochend ſtill, und
ließ ſich von ihren Tönen berühren wie von göttlichem
Finger — ich wollte ſchön ſein und Schönheit war mir
göttlich, ich neigte mich vor dem Gefühl der Schönheit,
und überlegte nicht, ob es äußerlich war oder innen. —
Indeſſen hab' ich bis heute immer in der Schönheit,
wo ſie ſich mir zeigte, eine nahe Verwandtſchaft gefühlt,
in Bildern und Statuen, in Gegenden, in ſchlanken
Bäumen. Obſchon ich nun nicht ſchlank bin, ſo regt
ſich doch etwas in meinem Geiſt, was dieſer Schlank-
heit entſpricht, und ob Du auch lächelſt, ich ſage Dir,
während ich mit dem Blick ihre himmelanſtrebenden
Wipfel verfolge, ſcheinen mir meine Eingebungen auch
Himmel anſtrebend, und wie im Windesrauſchen die
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