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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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Sie haben mich eingeführt in ihren Tempel die
Genien, und hier stehe ich verzagt, aber nicht fremd,
diese Lehren sind mir verständlich, diese Gesetze ge-
ben mir Weisheit, das Trachten der Liebe ist nicht
Trachten vergänglicher Menschen. Alle Blumen, die
wir brechen, werden unsterblich im Opfer, -- ein lie-
bend Herz entschwingt sich feindseligem Loos.


Ich soll Dir erzählen von den Zeiten, wo ich Deinen
Namen noch nicht hatte nennen lernen? gewiß Du hast
Recht, wissen zu wollen, was mich auf Dich vorberei-
tete, ich sagte Dir, daß Blumen und Kräuter zuerst mich
ansahen, daß ich erkannte, im Blick sei eine Frage, eine
Forderung, die ich nur mit zärtlichen Thränen beant-
worten konnte, dann lockte mich die Nachtigall, und ihr
selbstständig Handlen, ihr Gesang, ihr Annähern und
Zurückziehen lockte mich noch mehr als das Leben der
Blumen, ich war ihr näher im Gemüth, ihr Umgang
hatte etwas reizendes; aus meinem Bettchen konnte ich
ihr nächtlich Lied hören, ihr melodisch Stöhnen weckte
mich, ich seufzte mit ihr, und legte ihrem Gesang Ge-


Sie haben mich eingeführt in ihren Tempel die
Genien, und hier ſtehe ich verzagt, aber nicht fremd,
dieſe Lehren ſind mir verſtändlich, dieſe Geſetze ge-
ben mir Weisheit, das Trachten der Liebe iſt nicht
Trachten vergänglicher Menſchen. Alle Blumen, die
wir brechen, werden unſterblich im Opfer, — ein lie-
bend Herz entſchwingt ſich feindſeligem Loos.


Ich ſoll Dir erzählen von den Zeiten, wo ich Deinen
Namen noch nicht hatte nennen lernen? gewiß Du haſt
Recht, wiſſen zu wollen, was mich auf Dich vorberei-
tete, ich ſagte Dir, daß Blumen und Kräuter zuerſt mich
anſahen, daß ich erkannte, im Blick ſei eine Frage, eine
Forderung, die ich nur mit zärtlichen Thränen beant-
worten konnte, dann lockte mich die Nachtigall, und ihr
ſelbſtſtändig Handlen, ihr Geſang, ihr Annähern und
Zurückziehen lockte mich noch mehr als das Leben der
Blumen, ich war ihr näher im Gemüth, ihr Umgang
hatte etwas reizendes; aus meinem Bettchen konnte ich
ihr nächtlich Lied hören, ihr melodiſch Stöhnen weckte
mich, ich ſeufzte mit ihr, und legte ihrem Geſang Ge-

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[93/0103] Sie haben mich eingeführt in ihren Tempel die Genien, und hier ſtehe ich verzagt, aber nicht fremd, dieſe Lehren ſind mir verſtändlich, dieſe Geſetze ge- ben mir Weisheit, das Trachten der Liebe iſt nicht Trachten vergänglicher Menſchen. Alle Blumen, die wir brechen, werden unſterblich im Opfer, — ein lie- bend Herz entſchwingt ſich feindſeligem Loos. Ich ſoll Dir erzählen von den Zeiten, wo ich Deinen Namen noch nicht hatte nennen lernen? gewiß Du haſt Recht, wiſſen zu wollen, was mich auf Dich vorberei- tete, ich ſagte Dir, daß Blumen und Kräuter zuerſt mich anſahen, daß ich erkannte, im Blick ſei eine Frage, eine Forderung, die ich nur mit zärtlichen Thränen beant- worten konnte, dann lockte mich die Nachtigall, und ihr ſelbſtſtändig Handlen, ihr Geſang, ihr Annähern und Zurückziehen lockte mich noch mehr als das Leben der Blumen, ich war ihr näher im Gemüth, ihr Umgang hatte etwas reizendes; aus meinem Bettchen konnte ich ihr nächtlich Lied hören, ihr melodiſch Stöhnen weckte mich, ich ſeufzte mit ihr, und legte ihrem Geſang Ge-

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/103>, abgerufen am 22.11.2024.