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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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Gut sein begnügt die Seele, wie das Wiegenlied
die Kinderseele zum Schlaf befriedigt. Gut sein ist die
heilige Ruhe, die der Saame des Geistes haben muß
ehe er wieder gezeitigt ist zur Saat. -- Der Geist aber
ahndet, daß Gutsein die Vorbereitung zu einem tiefen
unerforschlichen Geheimniß ist. Das hast Du mir an-
vertraut Goethe! -- gestern Abend beim Sternenhim-
mel am offnen Fenster, wo ein Lüftchen nach dem an-
dern hereinschwirrte und wieder hinaus. -- Wenn also
die Seele gut ist: das ist eine Ruhe, ein Einschlafen
im Schooß Gottes, wie der Saame im Schooß der Na-
tur schläft eh er keimt. Wenn aber der Geist das Gute
will, so will er die Gottheit selbst; so will er jenes
Geheimniß der Güte als Speise und Nahrung und
Vorbereitung seiner nahen Verwandlung; so pocht er
an, wie der verborgne Strom im Felsenschooß, daß er
an's Licht will. Solchen kühnen Muth hat Dein Geist,
daß seinem Dringen Thor und Riegel aufgethan wur-
den, und daß er hervorbrausen durfte, über alle Zeiten
hinweg wo Geist in Geist greift, Well in Well gebo-
ren, Well in Well verloren.

Solcherlei Gespräche führten wir gestern Abend,
und Du sagtest noch: "kein Mensch würde glauben,
daß wir beide so mit einander sprechen.

Gut ſein begnügt die Seele, wie das Wiegenlied
die Kinderſeele zum Schlaf befriedigt. Gut ſein iſt die
heilige Ruhe, die der Saame des Geiſtes haben muß
ehe er wieder gezeitigt iſt zur Saat. — Der Geiſt aber
ahndet, daß Gutſein die Vorbereitung zu einem tiefen
unerforſchlichen Geheimniß iſt. Das haſt Du mir an-
vertraut Goethe! — geſtern Abend beim Sternenhim-
mel am offnen Fenſter, wo ein Lüftchen nach dem an-
dern hereinſchwirrte und wieder hinaus. — Wenn alſo
die Seele gut iſt: das iſt eine Ruhe, ein Einſchlafen
im Schooß Gottes, wie der Saame im Schooß der Na-
tur ſchläft eh er keimt. Wenn aber der Geiſt das Gute
will, ſo will er die Gottheit ſelbſt; ſo will er jenes
Geheimniß der Güte als Speiſe und Nahrung und
Vorbereitung ſeiner nahen Verwandlung; ſo pocht er
an, wie der verborgne Strom im Felſenſchooß, daß er
an's Licht will. Solchen kühnen Muth hat Dein Geiſt,
daß ſeinem Dringen Thor und Riegel aufgethan wur-
den, und daß er hervorbrauſen durfte, über alle Zeiten
hinweg wo Geiſt in Geiſt greift, Well in Well gebo-
ren, Well in Well verloren.

Solcherlei Geſpräche führten wir geſtern Abend,
und Du ſagteſt noch: „kein Menſch würde glauben,
daß wir beide ſo mit einander ſprechen.

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[90/0100] Gut ſein begnügt die Seele, wie das Wiegenlied die Kinderſeele zum Schlaf befriedigt. Gut ſein iſt die heilige Ruhe, die der Saame des Geiſtes haben muß ehe er wieder gezeitigt iſt zur Saat. — Der Geiſt aber ahndet, daß Gutſein die Vorbereitung zu einem tiefen unerforſchlichen Geheimniß iſt. Das haſt Du mir an- vertraut Goethe! — geſtern Abend beim Sternenhim- mel am offnen Fenſter, wo ein Lüftchen nach dem an- dern hereinſchwirrte und wieder hinaus. — Wenn alſo die Seele gut iſt: das iſt eine Ruhe, ein Einſchlafen im Schooß Gottes, wie der Saame im Schooß der Na- tur ſchläft eh er keimt. Wenn aber der Geiſt das Gute will, ſo will er die Gottheit ſelbſt; ſo will er jenes Geheimniß der Güte als Speiſe und Nahrung und Vorbereitung ſeiner nahen Verwandlung; ſo pocht er an, wie der verborgne Strom im Felſenſchooß, daß er an's Licht will. Solchen kühnen Muth hat Dein Geiſt, daß ſeinem Dringen Thor und Riegel aufgethan wur- den, und daß er hervorbrauſen durfte, über alle Zeiten hinweg wo Geiſt in Geiſt greift, Well in Well gebo- ren, Well in Well verloren. Solcherlei Geſpräche führten wir geſtern Abend, und Du ſagteſt noch: „kein Menſch würde glauben, daß wir beide ſo mit einander ſprechen.

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/100>, abgerufen am 22.11.2024.