Regentag, wo zwischen Schlaf und Wachen die Seele nach Wind und Wetter sich bequemte.
Bettine.
Bleib ihr gut, schreib ihr bald und grüß die Deinen.
An Bettine.
In zwei deiner Briefe hast Du ein reiches Füllhorn über mich ergossen, liebe Bettine, ich muß mich mit Dir freuen und mit Dir betrüben, und kann des Genusses nimmer satt werden. So lasse Dir denn genügen, daß die Ferne deinen Einfluß nicht mindert, da Du mit un- widerstehlicher Gewalt mich den mannigfachen Einwir- kungen deiner Gefühle unterwirfst, und daß ich deine bösen wie deine guten Träume mit träumen muß. Was Dich nun mit Recht so tief bewegt, über das verstehst Du auch allein Dich wieder zu erheben, hierüber schweigt man denn wie billig, und fühlt sich beglückt mit Dir in Befreundung zu stehen und Antheil an deiner Treue und Güte zu haben; da man doch Dich lieben lernen müßte, selbst wenn man nicht wollte.
Du scheinst denn auch deine liebenswürdige despo- tische Macht an verschiednen Trabanten zu üben, die
Regentag, wo zwiſchen Schlaf und Wachen die Seele nach Wind und Wetter ſich bequemte.
Bettine.
Bleib ihr gut, ſchreib ihr bald und grüß die Deinen.
An Bettine.
In zwei deiner Briefe haſt Du ein reiches Füllhorn über mich ergoſſen, liebe Bettine, ich muß mich mit Dir freuen und mit Dir betrüben, und kann des Genuſſes nimmer ſatt werden. So laſſe Dir denn genügen, daß die Ferne deinen Einfluß nicht mindert, da Du mit un- widerſtehlicher Gewalt mich den mannigfachen Einwir- kungen deiner Gefühle unterwirfſt, und daß ich deine böſen wie deine guten Träume mit träumen muß. Was Dich nun mit Recht ſo tief bewegt, über das verſtehſt Du auch allein Dich wieder zu erheben, hierüber ſchweigt man denn wie billig, und fühlt ſich beglückt mit Dir in Befreundung zu ſtehen und Antheil an deiner Treue und Güte zu haben; da man doch Dich lieben lernen müßte, ſelbſt wenn man nicht wollte.
Du ſcheinſt denn auch deine liebenswürdige deſpo- tiſche Macht an verſchiednen Trabanten zu üben, die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0097"n="87"/>
Regentag, wo zwiſchen Schlaf und Wachen die Seele<lb/>
nach Wind und Wetter ſich bequemte.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Bettine.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>Bleib ihr gut, ſchreib ihr bald und grüß die<lb/>
Deinen.</p></postscript></div><lb/><divn="2"><opener><salute>An Bettine.</salute></opener><lb/><p>In zwei deiner Briefe haſt Du ein reiches Füllhorn<lb/>
über mich ergoſſen, liebe Bettine, ich muß mich mit Dir<lb/>
freuen und mit Dir betrüben, und kann des Genuſſes<lb/>
nimmer ſatt werden. So laſſe Dir denn genügen, daß<lb/>
die Ferne deinen Einfluß nicht mindert, da Du mit un-<lb/>
widerſtehlicher Gewalt mich den mannigfachen Einwir-<lb/>
kungen deiner Gefühle unterwirfſt, und daß ich deine<lb/>
böſen wie deine guten Träume mit träumen muß. Was<lb/>
Dich nun mit Recht ſo tief bewegt, über das verſtehſt<lb/>
Du auch allein Dich wieder zu erheben, hierüber ſchweigt<lb/>
man denn wie billig, und fühlt ſich beglückt mit Dir in<lb/>
Befreundung zu ſtehen und Antheil an deiner Treue<lb/>
und Güte zu haben; da man doch Dich lieben lernen<lb/>
müßte, ſelbſt wenn man nicht wollte.</p><lb/><p>Du ſcheinſt denn auch deine liebenswürdige deſpo-<lb/>
tiſche Macht an verſchiednen Trabanten zu üben, die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[87/0097]
Regentag, wo zwiſchen Schlaf und Wachen die Seele
nach Wind und Wetter ſich bequemte.
Bettine.
Bleib ihr gut, ſchreib ihr bald und grüß die
Deinen.
An Bettine.
In zwei deiner Briefe haſt Du ein reiches Füllhorn
über mich ergoſſen, liebe Bettine, ich muß mich mit Dir
freuen und mit Dir betrüben, und kann des Genuſſes
nimmer ſatt werden. So laſſe Dir denn genügen, daß
die Ferne deinen Einfluß nicht mindert, da Du mit un-
widerſtehlicher Gewalt mich den mannigfachen Einwir-
kungen deiner Gefühle unterwirfſt, und daß ich deine
böſen wie deine guten Träume mit träumen muß. Was
Dich nun mit Recht ſo tief bewegt, über das verſtehſt
Du auch allein Dich wieder zu erheben, hierüber ſchweigt
man denn wie billig, und fühlt ſich beglückt mit Dir in
Befreundung zu ſtehen und Antheil an deiner Treue
und Güte zu haben; da man doch Dich lieben lernen
müßte, ſelbſt wenn man nicht wollte.
Du ſcheinſt denn auch deine liebenswürdige deſpo-
tiſche Macht an verſchiednen Trabanten zu üben, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/97>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.