beim Zipfel und schwenkte sie weit hinaus in die Wel- len; da hat der Wind die Mütze weggeweht sagte ich, ich drückte ihm meinen Kranz auf den Kopf der ihm wirklich schön stand, Lehne wollt es nicht leiden, die frischen Blätter könnten ihm schaden. Lasse ihn mir doch, sagte Jacobi sanft, ich legte die Hand über den Kranz. Jacobi sagte ich: Ihre feinen Züge leuchten im gebrochnen Licht dieser schönen Blätter wie die des ver- klärten Plato. Sie sind schön, und es bedarf nur eines Kranzes den Sie so wohl verdienen, um Sie würdig der Unsterblichkeit darzustellen; ich war vor Zorn be- geistert und Jacobi freute sich; ich setzte mich neben ihn an die Erde und hielt seine Hand die er mir auch ließ, keiner sagte etwas, sie wendeten sich alle ab, um die Aussicht zu betrachten, und sprachen unter sich, da lachte ich ihn heimlich an. Da wir an's Ufer kamen nahm ich ihm den Kranz ab und reichte ihn den Hut. -- Das war meine kleine Liebesgeschichte jenes schönen Ta- ges, ohne welche der Tag nicht schön gewesen sein würde; nun hängt der Kranz verwelkt an meinen Spie- gel, ich bin seit dem nicht wieder hingegangen, denn ich fürchte mich vor Helenen, die aus beleidigter Würde ganz stumm war und mir nicht Adieu sagte; so mag denn Jacobi freundlich meiner gedenken wenn ich ihn
beim Zipfel und ſchwenkte ſie weit hinaus in die Wel- len; da hat der Wind die Mütze weggeweht ſagte ich, ich drückte ihm meinen Kranz auf den Kopf der ihm wirklich ſchön ſtand, Lehne wollt es nicht leiden, die friſchen Blätter könnten ihm ſchaden. Laſſe ihn mir doch, ſagte Jacobi ſanft, ich legte die Hand über den Kranz. Jacobi ſagte ich: Ihre feinen Züge leuchten im gebrochnen Licht dieſer ſchönen Blätter wie die des ver- klärten Plato. Sie ſind ſchön, und es bedarf nur eines Kranzes den Sie ſo wohl verdienen, um Sie würdig der Unſterblichkeit darzuſtellen; ich war vor Zorn be- geiſtert und Jacobi freute ſich; ich ſetzte mich neben ihn an die Erde und hielt ſeine Hand die er mir auch ließ, keiner ſagte etwas, ſie wendeten ſich alle ab, um die Ausſicht zu betrachten, und ſprachen unter ſich, da lachte ich ihn heimlich an. Da wir an's Ufer kamen nahm ich ihm den Kranz ab und reichte ihn den Hut. — Das war meine kleine Liebesgeſchichte jenes ſchönen Ta- ges, ohne welche der Tag nicht ſchön geweſen ſein würde; nun hängt der Kranz verwelkt an meinen Spie- gel, ich bin ſeit dem nicht wieder hingegangen, denn ich fürchte mich vor Helenen, die aus beleidigter Würde ganz ſtumm war und mir nicht Adieu ſagte; ſo mag denn Jacobi freundlich meiner gedenken wenn ich ihn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0088"n="78"/>
beim Zipfel und ſchwenkte ſie weit hinaus in die Wel-<lb/>
len; da hat der Wind die Mütze weggeweht ſagte ich,<lb/>
ich drückte ihm meinen Kranz auf den Kopf der ihm<lb/>
wirklich ſchön ſtand, Lehne wollt es nicht leiden, die<lb/>
friſchen Blätter könnten ihm ſchaden. Laſſe ihn mir<lb/>
doch, ſagte Jacobi ſanft, ich legte die Hand über den<lb/>
Kranz. Jacobi ſagte ich: Ihre feinen Züge leuchten im<lb/>
gebrochnen Licht dieſer ſchönen Blätter wie die des ver-<lb/>
klärten Plato. Sie ſind ſchön, und es bedarf nur eines<lb/>
Kranzes den Sie ſo wohl verdienen, um Sie würdig<lb/>
der Unſterblichkeit darzuſtellen; ich war vor Zorn be-<lb/>
geiſtert und Jacobi freute ſich; ich ſetzte mich neben ihn<lb/>
an die Erde und hielt ſeine Hand die er mir auch ließ,<lb/>
keiner ſagte etwas, ſie wendeten ſich alle ab, um die<lb/>
Ausſicht zu betrachten, und ſprachen unter ſich, da lachte<lb/>
ich ihn heimlich an. Da wir an's Ufer kamen nahm<lb/>
ich ihm den Kranz ab und reichte ihn den Hut. —<lb/>
Das war meine kleine Liebesgeſchichte jenes ſchönen Ta-<lb/>
ges, ohne welche der Tag nicht ſchön geweſen ſein<lb/>
würde; nun hängt der Kranz verwelkt an meinen Spie-<lb/>
gel, ich bin ſeit dem nicht wieder hingegangen, denn<lb/>
ich fürchte mich vor Helenen, die aus beleidigter Würde<lb/>
ganz ſtumm war und mir nicht Adieu ſagte; ſo mag<lb/>
denn Jacobi freundlich meiner gedenken wenn ich ihn<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[78/0088]
beim Zipfel und ſchwenkte ſie weit hinaus in die Wel-
len; da hat der Wind die Mütze weggeweht ſagte ich,
ich drückte ihm meinen Kranz auf den Kopf der ihm
wirklich ſchön ſtand, Lehne wollt es nicht leiden, die
friſchen Blätter könnten ihm ſchaden. Laſſe ihn mir
doch, ſagte Jacobi ſanft, ich legte die Hand über den
Kranz. Jacobi ſagte ich: Ihre feinen Züge leuchten im
gebrochnen Licht dieſer ſchönen Blätter wie die des ver-
klärten Plato. Sie ſind ſchön, und es bedarf nur eines
Kranzes den Sie ſo wohl verdienen, um Sie würdig
der Unſterblichkeit darzuſtellen; ich war vor Zorn be-
geiſtert und Jacobi freute ſich; ich ſetzte mich neben ihn
an die Erde und hielt ſeine Hand die er mir auch ließ,
keiner ſagte etwas, ſie wendeten ſich alle ab, um die
Ausſicht zu betrachten, und ſprachen unter ſich, da lachte
ich ihn heimlich an. Da wir an's Ufer kamen nahm
ich ihm den Kranz ab und reichte ihn den Hut. —
Das war meine kleine Liebesgeſchichte jenes ſchönen Ta-
ges, ohne welche der Tag nicht ſchön geweſen ſein
würde; nun hängt der Kranz verwelkt an meinen Spie-
gel, ich bin ſeit dem nicht wieder hingegangen, denn
ich fürchte mich vor Helenen, die aus beleidigter Würde
ganz ſtumm war und mir nicht Adieu ſagte; ſo mag
denn Jacobi freundlich meiner gedenken wenn ich ihn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/88>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.