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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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nach Hause gehen in der Dämmerung. -- Nah an der
Stadt auf einem grünen Platz am Ufer steht die Sta-
tue des heiligen Johann von Nepomuk, der Wassergott;
vier Laternen werfen einen frommen Glanz auf ihn, die
Leute knieen da nach einander hin, verrichten ihr Gebet,
stört keiner den andern, gehen ab und zu, die Mond-
sichel stand oben; -- in der Ferne hörten wir Pauken
und Trompeten, Signal der Freude über die Rückkunft
des Königs; er war geflohen vor einer Handvoll wag-
halsiger Tyroler, die wollten ihn gefangen haben, war-
um ließ er sich nicht fangen, da war er mitten unter
Helden, keine bessere Gesellschaft für einen König; um-
sonst wär's nicht gewesen, der Jubel würde nicht gering
gewesen sein, von Angesicht zu Angesicht hätte er viel-
leicht bessere Geschäfte gemacht, er ist gut, der König,
der muß sich auch fügen in's eiserne Geschick der fal-
schen Politik. -- Die Stadt war illuminirt als wir hin-
einkamen, und mein Herz war bei dem allen schwer,
sehr schwer, wollte gern mit jenen Felssteinen in die
Tiefe hinabrollen, denn weil ich alles geschehen lassen
muß. Heut haben wir den 18. Mai, die Bäume blü-
hen, was wird noch alles vorgehen bis die Früchte rei-
fen. Vorgestern glühte der Himmel über jenen Alpen,
nicht vom Feuer der untertauchenden Sonne, nein, vom

nach Hauſe gehen in der Dämmerung. — Nah an der
Stadt auf einem grünen Platz am Ufer ſteht die Sta-
tue des heiligen Johann von Nepomuk, der Waſſergott;
vier Laternen werfen einen frommen Glanz auf ihn, die
Leute knieen da nach einander hin, verrichten ihr Gebet,
ſtört keiner den andern, gehen ab und zu, die Mond-
ſichel ſtand oben; — in der Ferne hörten wir Pauken
und Trompeten, Signal der Freude über die Rückkunft
des Königs; er war geflohen vor einer Handvoll wag-
halſiger Tyroler, die wollten ihn gefangen haben, war-
um ließ er ſich nicht fangen, da war er mitten unter
Helden, keine beſſere Geſellſchaft für einen König; um-
ſonſt wär's nicht geweſen, der Jubel würde nicht gering
geweſen ſein, von Angeſicht zu Angeſicht hätte er viel-
leicht beſſere Geſchäfte gemacht, er iſt gut, der König,
der muß ſich auch fügen in's eiſerne Geſchick der fal-
ſchen Politik. — Die Stadt war illuminirt als wir hin-
einkamen, und mein Herz war bei dem allen ſchwer,
ſehr ſchwer, wollte gern mit jenen Felsſteinen in die
Tiefe hinabrollen, denn weil ich alles geſchehen laſſen
muß. Heut haben wir den 18. Mai, die Bäume blü-
hen, was wird noch alles vorgehen bis die Früchte rei-
fen. Vorgeſtern glühte der Himmel über jenen Alpen,
nicht vom Feuer der untertauchenden Sonne, nein, vom

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[65/0075] nach Hauſe gehen in der Dämmerung. — Nah an der Stadt auf einem grünen Platz am Ufer ſteht die Sta- tue des heiligen Johann von Nepomuk, der Waſſergott; vier Laternen werfen einen frommen Glanz auf ihn, die Leute knieen da nach einander hin, verrichten ihr Gebet, ſtört keiner den andern, gehen ab und zu, die Mond- ſichel ſtand oben; — in der Ferne hörten wir Pauken und Trompeten, Signal der Freude über die Rückkunft des Königs; er war geflohen vor einer Handvoll wag- halſiger Tyroler, die wollten ihn gefangen haben, war- um ließ er ſich nicht fangen, da war er mitten unter Helden, keine beſſere Geſellſchaft für einen König; um- ſonſt wär's nicht geweſen, der Jubel würde nicht gering geweſen ſein, von Angeſicht zu Angeſicht hätte er viel- leicht beſſere Geſchäfte gemacht, er iſt gut, der König, der muß ſich auch fügen in's eiſerne Geſchick der fal- ſchen Politik. — Die Stadt war illuminirt als wir hin- einkamen, und mein Herz war bei dem allen ſchwer, ſehr ſchwer, wollte gern mit jenen Felsſteinen in die Tiefe hinabrollen, denn weil ich alles geſchehen laſſen muß. Heut haben wir den 18. Mai, die Bäume blü- hen, was wird noch alles vorgehen bis die Früchte rei- fen. Vorgeſtern glühte der Himmel über jenen Alpen, nicht vom Feuer der untertauchenden Sonne, nein, vom

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/75>, abgerufen am 24.11.2024.