Tyroler anbelangt, so sollst Du mir keine Vorwürfe ma- chen oder Du siehst mich nie wieder, denn ich gebe Dir mein Ehrenwort ich werde nicht erleben daß man sie verrathe, es geht gewiß alles gut, eben war ich beim Kronprinzen, der hat mit mir die Gesundheit der Tyro- ler getrunken und dem Napoleon ein Pereat gebracht, er hat mich bei der Hand gefaßt und gesagt: erin- nern Sie sich dran daß im Jahr Neune im April wäh- rend der Tyroler Revolution, der Kronprinz von Bai- ern dem Napoleon wiedersagt hat, und so hat er sein Glas mit mir angestoßen, daß der Fuß zerschellte; ich sagte zu Stadion: nun bin ich allein und hab keinen Freund mehr, er lächelte und sagte: Du schreibst an Goethe, schreib ihm auch von mir, daß der Katholische Priester auf dem Tyroler Schlachtfeld sich Lorbeern ho- len will, ich sagte: Nun werde ich keine Messe so bald mehr hören; -- und ich werde sobald auch keine mehr lesen, sagte er. Da stieß er sein Gewehr auf, und reichte mir die Hand zum Abschied. Den werd ich ge- wiß nicht wiedersehen. Kaum war er fort, klopfte es schon wieder, der alte Bob kommt herein, es war finster im Zimmer, an seiner Stimme erkenne ich daß er freu- dig ist, er reicht mir feierlich ein zerbrochnes Glas und sagt: das schickt Ihnen der Kronprinz und läßt Ihnen
Tyroler anbelangt, ſo ſollſt Du mir keine Vorwürfe ma- chen oder Du ſiehſt mich nie wieder, denn ich gebe Dir mein Ehrenwort ich werde nicht erleben daß man ſie verrathe, es geht gewiß alles gut, eben war ich beim Kronprinzen, der hat mit mir die Geſundheit der Tyro- ler getrunken und dem Napoleon ein Pereat gebracht, er hat mich bei der Hand gefaßt und geſagt: erin- nern Sie ſich dran daß im Jahr Neune im April wäh- rend der Tyroler Revolution, der Kronprinz von Bai- ern dem Napoleon wiederſagt hat, und ſo hat er ſein Glas mit mir angeſtoßen, daß der Fuß zerſchellte; ich ſagte zu Stadion: nun bin ich allein und hab keinen Freund mehr, er lächelte und ſagte: Du ſchreibſt an Goethe, ſchreib ihm auch von mir, daß der Katholiſche Prieſter auf dem Tyroler Schlachtfeld ſich Lorbeern ho- len will, ich ſagte: Nun werde ich keine Meſſe ſo bald mehr hören; — und ich werde ſobald auch keine mehr leſen, ſagte er. Da ſtieß er ſein Gewehr auf, und reichte mir die Hand zum Abſchied. Den werd ich ge- wiß nicht wiederſehen. Kaum war er fort, klopfte es ſchon wieder, der alte Bob kommt herein, es war finſter im Zimmer, an ſeiner Stimme erkenne ich daß er freu- dig iſt, er reicht mir feierlich ein zerbrochnes Glas und ſagt: das ſchickt Ihnen der Kronprinz und läßt Ihnen
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Tyroler anbelangt, ſo ſollſt Du mir keine Vorwürfe ma-
chen oder Du ſiehſt mich nie wieder, denn ich gebe Dir
mein Ehrenwort ich werde nicht erleben daß man ſie
verrathe, es geht gewiß alles gut, eben war ich beim
Kronprinzen, der hat mit mir die Geſundheit der Tyro-
ler getrunken und dem Napoleon ein Pereat gebracht,
er hat mich bei der Hand gefaßt und geſagt: erin-
nern Sie ſich dran daß im Jahr Neune im April wäh-
rend der Tyroler Revolution, der Kronprinz von Bai-
ern dem Napoleon wiederſagt hat, und ſo hat er ſein
Glas mit mir angeſtoßen, daß der Fuß zerſchellte; ich
ſagte zu Stadion: nun bin ich allein und hab keinen
Freund mehr, er lächelte und ſagte: Du ſchreibſt an
Goethe, ſchreib ihm auch von mir, daß der Katholiſche
Prieſter auf dem Tyroler Schlachtfeld ſich Lorbeern ho-
len will, ich ſagte: Nun werde ich keine Meſſe ſo bald
mehr hören; — und ich werde ſobald auch keine mehr
leſen, ſagte er. Da ſtieß er ſein Gewehr auf, und
reichte mir die Hand zum Abſchied. Den werd ich ge-
wiß nicht wiederſehen. Kaum war er fort, klopfte es
ſchon wieder, der alte Bob kommt herein, es war finſter
im Zimmer, an ſeiner Stimme erkenne ich daß er freu-
dig iſt, er reicht mir feierlich ein zerbrochnes Glas und
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/63>, abgerufen am 24.11.2024.
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