ich den Kronprinz im Theater, er winkte mir freundlich; nun gut: acht Tage hatte ich meinen Stadion nicht ge- sehen, am 10. April wo ich die gewisse Nachricht erhielt er sei in der Nacht abgereist, da war ich doch sehr be- trübt, daß ich ihn sollte zum letztenmal gesehen haben, es war mir eine wunderliche Bedeutung, daß er am Charfreitag seine letzte Messe gelesen hatte; -- die vie- len zurückgehaltenen und verläugneten Gefühle brachen endlich in Thränen aus. In der Einsamkeit da lernt man kennen was man will und was einem versagt wird. Ich fand keine Lage für mein ringendes Herz, müde geworden vom weinen schlief ich ein, bist Du schon eingeschlafen, müde vom Weinen? -- Männer weinen wohl so nicht? -- Du hast wohl nie geweint, daß die Seufzer noch selbst im Schlaf die Brust beschweren. So schluchzend im Traum hör ich meinen Namen ru- fen; es war dunkel, bei dem schwachen Dämmerschein der Laternen von der Straße, erkenne ich einen Mann neben mir in fremder Soldatenkleidung, Säbel, Patron- tasche, schwarzes Haar, sonst würde ich glauben den schwarzen Fritz zu erkennen. -- Nein Du irrst nicht, es ist der schwarze Fritz der Abschied von Dir nimmt, mein Wagen steht an der Thür, ich gehe eben als Soldat zur Oesterreichischen Armee, und was deine Freunde die
ich den Kronprinz im Theater, er winkte mir freundlich; nun gut: acht Tage hatte ich meinen Stadion nicht ge- ſehen, am 10. April wo ich die gewiſſe Nachricht erhielt er ſei in der Nacht abgereiſt, da war ich doch ſehr be- trübt, daß ich ihn ſollte zum letztenmal geſehen haben, es war mir eine wunderliche Bedeutung, daß er am Charfreitag ſeine letzte Meſſe geleſen hatte; — die vie- len zurückgehaltenen und verläugneten Gefühle brachen endlich in Thränen aus. In der Einſamkeit da lernt man kennen was man will und was einem verſagt wird. Ich fand keine Lage für mein ringendes Herz, müde geworden vom weinen ſchlief ich ein, biſt Du ſchon eingeſchlafen, müde vom Weinen? — Männer weinen wohl ſo nicht? — Du haſt wohl nie geweint, daß die Seufzer noch ſelbſt im Schlaf die Bruſt beſchweren. So ſchluchzend im Traum hör ich meinen Namen ru- fen; es war dunkel, bei dem ſchwachen Dämmerſchein der Laternen von der Straße, erkenne ich einen Mann neben mir in fremder Soldatenkleidung, Säbel, Patron- taſche, ſchwarzes Haar, ſonſt würde ich glauben den ſchwarzen Fritz zu erkennen. — Nein Du irrſt nicht, es iſt der ſchwarze Fritz der Abſchied von Dir nimmt, mein Wagen ſteht an der Thür, ich gehe eben als Soldat zur Oeſterreichiſchen Armee, und was deine Freunde die
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ich den Kronprinz im Theater, er winkte mir freundlich;
nun gut: acht Tage hatte ich meinen Stadion nicht ge-
ſehen, am 10. April wo ich die gewiſſe Nachricht erhielt
er ſei in der Nacht abgereiſt, da war ich doch ſehr be-
trübt, daß ich ihn ſollte zum letztenmal geſehen haben,
es war mir eine wunderliche Bedeutung, daß er am
Charfreitag ſeine letzte Meſſe geleſen hatte; — die vie-
len zurückgehaltenen und verläugneten Gefühle brachen
endlich in Thränen aus. In der Einſamkeit da lernt
man kennen was man will und was einem verſagt
wird. Ich fand keine Lage für mein ringendes Herz,
müde geworden vom weinen ſchlief ich ein, biſt Du ſchon
eingeſchlafen, müde vom Weinen? — Männer weinen
wohl ſo nicht? — Du haſt wohl nie geweint, daß die
Seufzer noch ſelbſt im Schlaf die Bruſt beſchweren.
So ſchluchzend im Traum hör ich meinen Namen ru-
fen; es war dunkel, bei dem ſchwachen Dämmerſchein
der Laternen von der Straße, erkenne ich einen Mann
neben mir in fremder Soldatenkleidung, Säbel, Patron-
taſche, ſchwarzes Haar, ſonſt würde ich glauben den
ſchwarzen Fritz zu erkennen. — Nein Du irrſt nicht, es
iſt der ſchwarze Fritz der Abſchied von Dir nimmt, mein
Wagen ſteht an der Thür, ich gehe eben als Soldat
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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