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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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er werde Milde und Schonung da verbreiten, wo seine
Leute jetzt nur rohe Wuth und Rachgierde walten las-
sen, ich frage ihn ob der Name Herzog von Tyrol
nicht herrlicher klinge als die Namen der vier Könige,
die ihre Mächte vereint haben um diese Helden zu wür-
gen? und es möge nun ausgehen wie es wolle, so hoffe
ich daß er sich von jenen den Beinamen "der Mensch-
liche" erwerben werde; dies ungefähr ist der Inhalt
eines vier Seiten langen Briefs, den ich, nachdem ich ihn
in heftigster Wallung geschrieben (da ich denn auch
nicht davor stehen kann was alles noch mit unterge-
laufen), mit der größten Kaltblütigkeit siegelte, und
ganz getrost ihn in des Klaviermeisters Hände gab, mit
der Bedeutung: es seien wichtige Sachen über die Ty-
roler, die dem Kronprinz von großem Nutzen sein
würden. --

Wie gern macht man sich wichtig, mein Bob pur-
zelte fast die Stiegen herab vor übergroßer Eile, dem
Kronprinzen den interessanten Brief zu überbringen,
und wie leichtsinnig bin ich, ich vergaß alles. Ich ging
zu Winter, Psalmen singen, zu Tieck, zu Jacobi, nir-
gends stimmt man mit mir ein, ja alles fürchtet sich,
und wenn sie wüßten was ich angerichtet habe, sie wür-

II. 3

er werde Milde und Schonung da verbreiten, wo ſeine
Leute jetzt nur rohe Wuth und Rachgierde walten laſ-
ſen, ich frage ihn ob der Name Herzog von Tyrol
nicht herrlicher klinge als die Namen der vier Könige,
die ihre Mächte vereint haben um dieſe Helden zu wür-
gen? und es möge nun ausgehen wie es wolle, ſo hoffe
ich daß er ſich von jenen den Beinamen „der Menſch-
liche“ erwerben werde; dies ungefähr iſt der Inhalt
eines vier Seiten langen Briefs, den ich, nachdem ich ihn
in heftigſter Wallung geſchrieben (da ich denn auch
nicht davor ſtehen kann was alles noch mit unterge-
laufen), mit der größten Kaltblütigkeit ſiegelte, und
ganz getroſt ihn in des Klaviermeiſters Hände gab, mit
der Bedeutung: es ſeien wichtige Sachen über die Ty-
roler, die dem Kronprinz von großem Nutzen ſein
würden. —

Wie gern macht man ſich wichtig, mein Bob pur-
zelte faſt die Stiegen herab vor übergroßer Eile, dem
Kronprinzen den intereſſanten Brief zu überbringen,
und wie leichtſinnig bin ich, ich vergaß alles. Ich ging
zu Winter, Pſalmen ſingen, zu Tieck, zu Jacobi, nir-
gends ſtimmt man mit mir ein, ja alles fürchtet ſich,
und wenn ſie wüßten was ich angerichtet habe, ſie wür-

II. 3
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[49/0059] er werde Milde und Schonung da verbreiten, wo ſeine Leute jetzt nur rohe Wuth und Rachgierde walten laſ- ſen, ich frage ihn ob der Name Herzog von Tyrol nicht herrlicher klinge als die Namen der vier Könige, die ihre Mächte vereint haben um dieſe Helden zu wür- gen? und es möge nun ausgehen wie es wolle, ſo hoffe ich daß er ſich von jenen den Beinamen „der Menſch- liche“ erwerben werde; dies ungefähr iſt der Inhalt eines vier Seiten langen Briefs, den ich, nachdem ich ihn in heftigſter Wallung geſchrieben (da ich denn auch nicht davor ſtehen kann was alles noch mit unterge- laufen), mit der größten Kaltblütigkeit ſiegelte, und ganz getroſt ihn in des Klaviermeiſters Hände gab, mit der Bedeutung: es ſeien wichtige Sachen über die Ty- roler, die dem Kronprinz von großem Nutzen ſein würden. — Wie gern macht man ſich wichtig, mein Bob pur- zelte faſt die Stiegen herab vor übergroßer Eile, dem Kronprinzen den intereſſanten Brief zu überbringen, und wie leichtſinnig bin ich, ich vergaß alles. Ich ging zu Winter, Pſalmen ſingen, zu Tieck, zu Jacobi, nir- gends ſtimmt man mit mir ein, ja alles fürchtet ſich, und wenn ſie wüßten was ich angerichtet habe, ſie wür- II. 3

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/59>, abgerufen am 24.11.2024.