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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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bis an den Tag entzweit gewesen über einen Hofmei-
ster, den der Kronprinz, weil er ihn für untauglich hielt,
von seinem Bruder entfernt hatte; sie versöhnten sich
also hier in der Kirche mit einander, und mir machte
es große Freude zuzusehen. Bob, ein alter Clavier-
meister des Kronprinzen, der auch mir Unterricht giebt,
begleitete mich nach Hause, er zeigte mir ein Sonnet
was der Kronprinz an diesem Morgen gedichtet hatte;
schon daß er diesen Herzensdrang empfindet bei Ereig-
nissen die ihn näher angehen, zu dichten, spricht für
eine tiefere Seele; in ihm waltet gewiß das Naturrecht
vor, dann wird er auch die Tyroler nicht mißhandeln
lassen; ja, ich hab eine gute Zuversicht zu ihm; der alte
Bob erzählt mir alles was meinen Enthusiasmus noch
steigern kann. Am dritten Feyertag holt er mich ab in
den englischen Garten, um die Anrede des Kronprinzen
an seine versammelte Truppen, mit denen er seinen er-
sten Feldzug machen wird, anzuhören; ich konnte nichts
zusammenhängendes verstehen, aber was ich hörte war
mir nicht recht, er spricht von ihrer Tapferkeit, ihrer
Ausdauer und Treue, von den abtrünnigen, verrätheri-
schen Tyrolern, daß er sie, vereint mit ihnen, zum Ge-
horsam zurückführen werde, und daß er seine eigne Ehre
mit der ihrigen verflechte und verpfände etc. Wie ich

bis an den Tag entzweit geweſen über einen Hofmei-
ſter, den der Kronprinz, weil er ihn für untauglich hielt,
von ſeinem Bruder entfernt hatte; ſie verſöhnten ſich
alſo hier in der Kirche mit einander, und mir machte
es große Freude zuzuſehen. Bob, ein alter Clavier-
meiſter des Kronprinzen, der auch mir Unterricht giebt,
begleitete mich nach Hauſe, er zeigte mir ein Sonnet
was der Kronprinz an dieſem Morgen gedichtet hatte;
ſchon daß er dieſen Herzensdrang empfindet bei Ereig-
niſſen die ihn näher angehen, zu dichten, ſpricht für
eine tiefere Seele; in ihm waltet gewiß das Naturrecht
vor, dann wird er auch die Tyroler nicht mißhandeln
laſſen; ja, ich hab eine gute Zuverſicht zu ihm; der alte
Bob erzählt mir alles was meinen Enthuſiasmus noch
ſteigern kann. Am dritten Feyertag holt er mich ab in
den engliſchen Garten, um die Anrede des Kronprinzen
an ſeine verſammelte Truppen, mit denen er ſeinen er-
ſten Feldzug machen wird, anzuhören; ich konnte nichts
zuſammenhängendes verſtehen, aber was ich hörte war
mir nicht recht, er ſpricht von ihrer Tapferkeit, ihrer
Ausdauer und Treue, von den abtrünnigen, verrätheri-
ſchen Tyrolern, daß er ſie, vereint mit ihnen, zum Ge-
horſam zurückführen werde, und daß er ſeine eigne Ehre
mit der ihrigen verflechte und verpfände ꝛc. Wie ich

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[47/0057] bis an den Tag entzweit geweſen über einen Hofmei- ſter, den der Kronprinz, weil er ihn für untauglich hielt, von ſeinem Bruder entfernt hatte; ſie verſöhnten ſich alſo hier in der Kirche mit einander, und mir machte es große Freude zuzuſehen. Bob, ein alter Clavier- meiſter des Kronprinzen, der auch mir Unterricht giebt, begleitete mich nach Hauſe, er zeigte mir ein Sonnet was der Kronprinz an dieſem Morgen gedichtet hatte; ſchon daß er dieſen Herzensdrang empfindet bei Ereig- niſſen die ihn näher angehen, zu dichten, ſpricht für eine tiefere Seele; in ihm waltet gewiß das Naturrecht vor, dann wird er auch die Tyroler nicht mißhandeln laſſen; ja, ich hab eine gute Zuverſicht zu ihm; der alte Bob erzählt mir alles was meinen Enthuſiasmus noch ſteigern kann. Am dritten Feyertag holt er mich ab in den engliſchen Garten, um die Anrede des Kronprinzen an ſeine verſammelte Truppen, mit denen er ſeinen er- ſten Feldzug machen wird, anzuhören; ich konnte nichts zuſammenhängendes verſtehen, aber was ich hörte war mir nicht recht, er ſpricht von ihrer Tapferkeit, ihrer Ausdauer und Treue, von den abtrünnigen, verrätheri- ſchen Tyrolern, daß er ſie, vereint mit ihnen, zum Ge- horſam zurückführen werde, und daß er ſeine eigne Ehre mit der ihrigen verflechte und verpfände ꝛc. Wie ich

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/57>, abgerufen am 24.11.2024.