Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

sie Sclaven sind, es sollte mir keiner wagen sich am
Ebenbild Gottes zu vergreifen.

Ich meine immer der Kronprinz müsse anders em-
pfinden, menschlicher, die Leute wollen ihn nicht loben,
sie sagen: er sei eigensinnig und launig, ich habe Zu-
trauen zu ihm, er pflegt den Garten, den er als Kind
hatte, noch jetzt mit Sorgfalt, begießt die Blumen, die
in seinen Zimmern blühen, selbst, macht Gedichte, hol-
perig, aber voll Begeisterung, das alles sagt mir gut
für ihn.

Was wohl ein solcher für Gedanken hat, der jeden
Gedanken realisiren könnte? -- ein Fürst, dessen Geist
das ganze Land erhellen soll? -- er müßte verharren
im Gebet sein Lebenlang, der angewiesen ist in tausend
andern zu leben, zu handeln.

Ja, ob ein Königssohn wohl den heiligen Geist in
sich erweckt, daß der regiere statt seiner? -- der Sta-
dion seufzt und sagt: das beste ist, daß, wie die Wür-
fel auch fallen, der Weg zum Himmel immer unver-
sperrt bleibt für König und Unterthan.

ſie Sclaven ſind, es ſollte mir keiner wagen ſich am
Ebenbild Gottes zu vergreifen.

Ich meine immer der Kronprinz müſſe anders em-
pfinden, menſchlicher, die Leute wollen ihn nicht loben,
ſie ſagen: er ſei eigenſinnig und launig, ich habe Zu-
trauen zu ihm, er pflegt den Garten, den er als Kind
hatte, noch jetzt mit Sorgfalt, begießt die Blumen, die
in ſeinen Zimmern blühen, ſelbſt, macht Gedichte, hol-
perig, aber voll Begeiſterung, das alles ſagt mir gut
für ihn.

Was wohl ein ſolcher für Gedanken hat, der jeden
Gedanken realiſiren könnte? — ein Fürſt, deſſen Geiſt
das ganze Land erhellen ſoll? — er müßte verharren
im Gebet ſein Lebenlang, der angewieſen iſt in tauſend
andern zu leben, zu handeln.

Ja, ob ein Königsſohn wohl den heiligen Geiſt in
ſich erweckt, daß der regiere ſtatt ſeiner? — der Sta-
dion ſeufzt und ſagt: das beſte iſt, daß, wie die Wür-
fel auch fallen, der Weg zum Himmel immer unver-
ſperrt bleibt für König und Unterthan.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="38"/>
&#x017F;ie Sclaven &#x017F;ind, es &#x017F;ollte mir keiner wagen &#x017F;ich am<lb/>
Ebenbild Gottes zu vergreifen.</p><lb/>
          <p>Ich meine immer der Kronprinz mü&#x017F;&#x017F;e anders em-<lb/>
pfinden, men&#x017F;chlicher, die Leute wollen ihn nicht loben,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;agen: er &#x017F;ei eigen&#x017F;innig und launig, ich habe Zu-<lb/>
trauen zu ihm, er pflegt den Garten, den er als Kind<lb/>
hatte, noch jetzt mit Sorgfalt, begießt die Blumen, die<lb/>
in &#x017F;einen Zimmern blühen, &#x017F;elb&#x017F;t, macht Gedichte, hol-<lb/>
perig, aber voll Begei&#x017F;terung, das alles &#x017F;agt mir gut<lb/>
für ihn.</p><lb/>
          <p>Was wohl ein &#x017F;olcher für Gedanken hat, der jeden<lb/>
Gedanken reali&#x017F;iren könnte? &#x2014; ein Für&#x017F;t, de&#x017F;&#x017F;en Gei&#x017F;t<lb/>
das ganze Land erhellen &#x017F;oll? &#x2014; er müßte verharren<lb/>
im Gebet &#x017F;ein Lebenlang, der angewie&#x017F;en i&#x017F;t in tau&#x017F;end<lb/>
andern zu leben, zu handeln.</p><lb/>
          <p>Ja, ob ein Königs&#x017F;ohn wohl den heiligen Gei&#x017F;t in<lb/>
&#x017F;ich erweckt, daß <hi rendition="#g">der</hi> regiere &#x017F;tatt &#x017F;einer? &#x2014; der Sta-<lb/>
dion &#x017F;eufzt und &#x017F;agt: das be&#x017F;te i&#x017F;t, daß, wie die Wür-<lb/>
fel auch fallen, der Weg zum Himmel immer unver-<lb/>
&#x017F;perrt bleibt für König und Unterthan.</p>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0048] ſie Sclaven ſind, es ſollte mir keiner wagen ſich am Ebenbild Gottes zu vergreifen. Ich meine immer der Kronprinz müſſe anders em- pfinden, menſchlicher, die Leute wollen ihn nicht loben, ſie ſagen: er ſei eigenſinnig und launig, ich habe Zu- trauen zu ihm, er pflegt den Garten, den er als Kind hatte, noch jetzt mit Sorgfalt, begießt die Blumen, die in ſeinen Zimmern blühen, ſelbſt, macht Gedichte, hol- perig, aber voll Begeiſterung, das alles ſagt mir gut für ihn. Was wohl ein ſolcher für Gedanken hat, der jeden Gedanken realiſiren könnte? — ein Fürſt, deſſen Geiſt das ganze Land erhellen ſoll? — er müßte verharren im Gebet ſein Lebenlang, der angewieſen iſt in tauſend andern zu leben, zu handeln. Ja, ob ein Königsſohn wohl den heiligen Geiſt in ſich erweckt, daß der regiere ſtatt ſeiner? — der Sta- dion ſeufzt und ſagt: das beſte iſt, daß, wie die Wür- fel auch fallen, der Weg zum Himmel immer unver- ſperrt bleibt für König und Unterthan.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/48
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/48>, abgerufen am 24.11.2024.