sondern die vielleicht bewußtlose Tendenz der Erzeu- gung ist.
Alle Regungen geistiger Ereignisse des Lebens nach außen, haben einen solchen tief verborgnen Grund; so wie der Lebensathem sich in die Brust senkt um auf's neue Athem zu schöpfen, so senkt sich der erzeugende Geist in die Seele um auf's neue in die höhere Region ewiger Schöpfungskraft aufzusteigen.
Die Seele athmet durch den Geist, der Geist ath- met durch die Inspiration, und die ist das Athmen der Gottheit.
Das Aufathmen des göttlichen Geistes ist Schöpfen, Erzeugen; das Senken des göttlichen Athems ist Gebä- ren und Ernähren des Geistes, -- so erzeugt und gebärt und ernährt sich das Göttliche im Geist; so, durch den Geist in der Seele, so durch die Seele in dem Leib, der Leib ist die Kunst, -- sie ist die sinnliche Natur in's Leben des Geistes erzeugt.
In der Künstlersprache heißt es: Es kann nichts neues erfunden werden, alles ist schon vorher da gewe- sen; ja! wir können auch nur im Menschen erfinden, außer ihm giebt es nichts, denn da ist der Geist nicht, denn Gott selbst hat keine andere Herberge als den Geist des Menschen. Der Erfinder ist die Liebe. Da
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ſondern die vielleicht bewußtloſe Tendenz der Erzeu- gung iſt.
Alle Regungen geiſtiger Ereigniſſe des Lebens nach außen, haben einen ſolchen tief verborgnen Grund; ſo wie der Lebensathem ſich in die Bruſt ſenkt um auf's neue Athem zu ſchöpfen, ſo ſenkt ſich der erzeugende Geiſt in die Seele um auf's neue in die höhere Region ewiger Schöpfungskraft aufzuſteigen.
Die Seele athmet durch den Geiſt, der Geiſt ath- met durch die Inſpiration, und die iſt das Athmen der Gottheit.
Das Aufathmen des göttlichen Geiſtes iſt Schöpfen, Erzeugen; das Senken des göttlichen Athems iſt Gebä- ren und Ernähren des Geiſtes, — ſo erzeugt und gebärt und ernährt ſich das Göttliche im Geiſt; ſo, durch den Geiſt in der Seele, ſo durch die Seele in dem Leib, der Leib iſt die Kunſt, — ſie iſt die ſinnliche Natur in's Leben des Geiſtes erzeugt.
In der Künſtlerſprache heißt es: Es kann nichts neues erfunden werden, alles iſt ſchon vorher da gewe- ſen; ja! wir können auch nur im Menſchen erfinden, außer ihm giebt es nichts, denn da iſt der Geiſt nicht, denn Gott ſelbſt hat keine andere Herberge als den Geiſt des Menſchen. Der Erfinder iſt die Liebe. Da
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ſondern die vielleicht bewußtloſe Tendenz der Erzeu-
gung iſt.
Alle Regungen geiſtiger Ereigniſſe des Lebens nach
außen, haben einen ſolchen tief verborgnen Grund; ſo
wie der Lebensathem ſich in die Bruſt ſenkt um auf's
neue Athem zu ſchöpfen, ſo ſenkt ſich der erzeugende
Geiſt in die Seele um auf's neue in die höhere Region
ewiger Schöpfungskraft aufzuſteigen.
Die Seele athmet durch den Geiſt, der Geiſt ath-
met durch die Inſpiration, und die iſt das Athmen der
Gottheit.
Das Aufathmen des göttlichen Geiſtes iſt Schöpfen,
Erzeugen; das Senken des göttlichen Athems iſt Gebä-
ren und Ernähren des Geiſtes, — ſo erzeugt und gebärt
und ernährt ſich das Göttliche im Geiſt; ſo, durch den
Geiſt in der Seele, ſo durch die Seele in dem Leib, der
Leib iſt die Kunſt, — ſie iſt die ſinnliche Natur in's
Leben des Geiſtes erzeugt.
In der Künſtlerſprache heißt es: Es kann nichts
neues erfunden werden, alles iſt ſchon vorher da gewe-
ſen; ja! wir können auch nur im Menſchen erfinden,
außer ihm giebt es nichts, denn da iſt der Geiſt nicht,
denn Gott ſelbſt hat keine andere Herberge als den
Geiſt des Menſchen. Der Erfinder iſt die Liebe. Da
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/307>, abgerufen am 25.07.2024.
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