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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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Was kann uns ergreifen an der Darstellung einer
Gestalt die sich nicht regt, die den Moment ihrer gei-
stigen Tendenz nicht zu entwickeln vermag? -- Was
kann uns durchdringen in einer gemalten Luftschicht, in
welcher die Ahnung des steigenden Lichts nie erfüllt
wird? -- was bewegt uns zu heimathlichem Sehnen
in der gemalten Hütte sogar? was zu dem vertraulichen
Hinneigen zum nachgeahmten Thiere? -- wenn es nicht
eine Sanction des keimenden Geistes der Erzeugung ist!

Ach was fragst Du nach der Kunst, ich kann Dir
nichts genügendes sagen? frage nach der Liebe, die ist
meine Kunst, in ihr soll ich darstellen, in ihr soll ich
mich fassen und heiligen.

Ich fürchte mich vor Dir, ich fürchte mich vor dem
Geist den Du in mir aufstehen heißest, weil ich ihn nicht
aussprechen kann. Du sagst in Deinem Brief der ganze
Mensch müsse aus sich heraustreten an's Licht; nie hat
dies einfache untrügliche Gebot mir früher eingeleuchtet,
jetzt aber wo Deine Weisheit mich an's Licht fordert,
was hab ich da aufzuweisen als nur Verschuldungen
gegen diesen inneren Menschen; siehe da! er war miß-
handelt und unterdrückt. -- Ist aber dieses Hervortre-
ten des inneren Menschen an's Licht nicht die Kunst? --
Dieser innere Mensch der ans Licht begehrt, daß ihm

13*

Was kann uns ergreifen an der Darſtellung einer
Geſtalt die ſich nicht regt, die den Moment ihrer gei-
ſtigen Tendenz nicht zu entwickeln vermag? — Was
kann uns durchdringen in einer gemalten Luftſchicht, in
welcher die Ahnung des ſteigenden Lichts nie erfüllt
wird? — was bewegt uns zu heimathlichem Sehnen
in der gemalten Hütte ſogar? was zu dem vertraulichen
Hinneigen zum nachgeahmten Thiere? — wenn es nicht
eine Sanction des keimenden Geiſtes der Erzeugung iſt!

Ach was fragſt Du nach der Kunſt, ich kann Dir
nichts genügendes ſagen? frage nach der Liebe, die iſt
meine Kunſt, in ihr ſoll ich darſtellen, in ihr ſoll ich
mich faſſen und heiligen.

Ich fürchte mich vor Dir, ich fürchte mich vor dem
Geiſt den Du in mir aufſtehen heißeſt, weil ich ihn nicht
ausſprechen kann. Du ſagſt in Deinem Brief der ganze
Menſch müſſe aus ſich heraustreten an's Licht; nie hat
dies einfache untrügliche Gebot mir früher eingeleuchtet,
jetzt aber wo Deine Weisheit mich an's Licht fordert,
was hab ich da aufzuweiſen als nur Verſchuldungen
gegen dieſen inneren Menſchen; ſiehe da! er war miß-
handelt und unterdrückt. — Iſt aber dieſes Hervortre-
ten des inneren Menſchen an's Licht nicht die Kunſt? —
Dieſer innere Menſch der ans Licht begehrt, daß ihm

13*
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[291/0301] Was kann uns ergreifen an der Darſtellung einer Geſtalt die ſich nicht regt, die den Moment ihrer gei- ſtigen Tendenz nicht zu entwickeln vermag? — Was kann uns durchdringen in einer gemalten Luftſchicht, in welcher die Ahnung des ſteigenden Lichts nie erfüllt wird? — was bewegt uns zu heimathlichem Sehnen in der gemalten Hütte ſogar? was zu dem vertraulichen Hinneigen zum nachgeahmten Thiere? — wenn es nicht eine Sanction des keimenden Geiſtes der Erzeugung iſt! Ach was fragſt Du nach der Kunſt, ich kann Dir nichts genügendes ſagen? frage nach der Liebe, die iſt meine Kunſt, in ihr ſoll ich darſtellen, in ihr ſoll ich mich faſſen und heiligen. Ich fürchte mich vor Dir, ich fürchte mich vor dem Geiſt den Du in mir aufſtehen heißeſt, weil ich ihn nicht ausſprechen kann. Du ſagſt in Deinem Brief der ganze Menſch müſſe aus ſich heraustreten an's Licht; nie hat dies einfache untrügliche Gebot mir früher eingeleuchtet, jetzt aber wo Deine Weisheit mich an's Licht fordert, was hab ich da aufzuweiſen als nur Verſchuldungen gegen dieſen inneren Menſchen; ſiehe da! er war miß- handelt und unterdrückt. — Iſt aber dieſes Hervortre- ten des inneren Menſchen an's Licht nicht die Kunſt? — Dieſer innere Menſch der ans Licht begehrt, daß ihm 13*

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/301>, abgerufen am 22.11.2024.