als junges Kind oft mit großen Sorgen habe auf den Gerüsten herumklettern sehen. Als der Bau beendigt war, der Euer altes rumpeliges Haus mit Windeltrep- pen und ungleichen Etagen, in eine schöne anmuthige Wohnung umschuf, in denen werthvolle Kunstgegenstände mit Geschmack die Zimmer verzierten, da richtete der Va- ter mit großer Umständlichkeit eine Bibliothek ein, bei der Du beschäftigt wurdest, über deines Vaters Leiden- schaft zum Reisen erzählte die Mutter sehr viel. Seine Zimmer waren mit Landkarten, Planen von großen Städ- ten behängt, und während Du die Reisebeschreibung vor- lasest, spazierte er mit dem Finger drauf herum um jeden Punkt aufzusuchen, dies sagte weder deiner Ungeduld noch dem eilfertigen Temperament der Mutter zu, ihr sehntet euch nach Hindernissen solcher langweiligen Win- terabende, die denn endlich auch durch die Einquartie- rung eines französischen Kommandanten in die Pracht- stuben völlig unterbrochen wurden, hierdurch war nichts gebessert, der Vater war nicht zu trösten, daß seine kaum eingerichtete Wohnung die ihm so manches Opfer geko- stet hatte, der Einquartierung preißgegeben war, daraus erwuchs mancherlei Noth die deine Mutter trefflich aus- zugleichen verstand; ein paar Blätter mit Notizen schicke ich noch mit ich kann sie nicht besser ausmalen, Dir aber
als junges Kind oft mit großen Sorgen habe auf den Gerüſten herumklettern ſehen. Als der Bau beendigt war, der Euer altes rumpeliges Haus mit Windeltrep- pen und ungleichen Etagen, in eine ſchöne anmuthige Wohnung umſchuf, in denen werthvolle Kunſtgegenſtände mit Geſchmack die Zimmer verzierten, da richtete der Va- ter mit großer Umſtändlichkeit eine Bibliothek ein, bei der Du beſchäftigt wurdeſt, über deines Vaters Leiden- ſchaft zum Reiſen erzählte die Mutter ſehr viel. Seine Zimmer waren mit Landkarten, Planen von großen Städ- ten behängt, und während Du die Reiſebeſchreibung vor- laſeſt, ſpazierte er mit dem Finger drauf herum um jeden Punkt aufzuſuchen, dies ſagte weder deiner Ungeduld noch dem eilfertigen Temperament der Mutter zu, ihr ſehntet euch nach Hinderniſſen ſolcher langweiligen Win- terabende, die denn endlich auch durch die Einquartie- rung eines franzöſiſchen Kommandanten in die Pracht- ſtuben völlig unterbrochen wurden, hierdurch war nichts gebeſſert, der Vater war nicht zu tröſten, daß ſeine kaum eingerichtete Wohnung die ihm ſo manches Opfer geko- ſtet hatte, der Einquartierung preißgegeben war, daraus erwuchs mancherlei Noth die deine Mutter trefflich aus- zugleichen verſtand; ein paar Blätter mit Notizen ſchicke ich noch mit ich kann ſie nicht beſſer ausmalen, Dir aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0290"n="280"/>
als junges Kind oft mit großen Sorgen habe auf den<lb/>
Gerüſten herumklettern ſehen. Als der Bau beendigt<lb/>
war, der Euer altes rumpeliges Haus mit Windeltrep-<lb/>
pen und ungleichen Etagen, in eine ſchöne anmuthige<lb/>
Wohnung umſchuf, in denen werthvolle Kunſtgegenſtände<lb/>
mit Geſchmack die Zimmer verzierten, da richtete der Va-<lb/>
ter mit großer Umſtändlichkeit eine Bibliothek ein, bei<lb/>
der Du beſchäftigt wurdeſt, über deines Vaters <choice><sic>Leiden-<lb/>
denſchaft</sic><corr>Leiden-<lb/>ſchaft</corr></choice> zum Reiſen erzählte die Mutter ſehr viel. Seine<lb/>
Zimmer waren mit Landkarten, Planen von großen Städ-<lb/>
ten behängt, und während Du die Reiſebeſchreibung vor-<lb/>
laſeſt, ſpazierte er mit dem Finger drauf herum um jeden<lb/>
Punkt aufzuſuchen, dies ſagte weder deiner Ungeduld<lb/>
noch dem eilfertigen Temperament der Mutter zu, ihr<lb/>ſehntet euch nach Hinderniſſen ſolcher langweiligen Win-<lb/>
terabende, die denn endlich auch durch die Einquartie-<lb/>
rung eines franzöſiſchen Kommandanten in die Pracht-<lb/>ſtuben völlig unterbrochen wurden, hierdurch war nichts<lb/>
gebeſſert, der Vater war nicht zu tröſten, daß ſeine kaum<lb/>
eingerichtete Wohnung die ihm ſo manches Opfer geko-<lb/>ſtet hatte, der Einquartierung preißgegeben war, daraus<lb/>
erwuchs mancherlei Noth die deine Mutter trefflich aus-<lb/>
zugleichen verſtand; ein paar Blätter mit Notizen ſchicke<lb/>
ich noch mit ich kann ſie nicht beſſer ausmalen, Dir aber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[280/0290]
als junges Kind oft mit großen Sorgen habe auf den
Gerüſten herumklettern ſehen. Als der Bau beendigt
war, der Euer altes rumpeliges Haus mit Windeltrep-
pen und ungleichen Etagen, in eine ſchöne anmuthige
Wohnung umſchuf, in denen werthvolle Kunſtgegenſtände
mit Geſchmack die Zimmer verzierten, da richtete der Va-
ter mit großer Umſtändlichkeit eine Bibliothek ein, bei
der Du beſchäftigt wurdeſt, über deines Vaters Leiden-
ſchaft zum Reiſen erzählte die Mutter ſehr viel. Seine
Zimmer waren mit Landkarten, Planen von großen Städ-
ten behängt, und während Du die Reiſebeſchreibung vor-
laſeſt, ſpazierte er mit dem Finger drauf herum um jeden
Punkt aufzuſuchen, dies ſagte weder deiner Ungeduld
noch dem eilfertigen Temperament der Mutter zu, ihr
ſehntet euch nach Hinderniſſen ſolcher langweiligen Win-
terabende, die denn endlich auch durch die Einquartie-
rung eines franzöſiſchen Kommandanten in die Pracht-
ſtuben völlig unterbrochen wurden, hierdurch war nichts
gebeſſert, der Vater war nicht zu tröſten, daß ſeine kaum
eingerichtete Wohnung die ihm ſo manches Opfer geko-
ſtet hatte, der Einquartierung preißgegeben war, daraus
erwuchs mancherlei Noth die deine Mutter trefflich aus-
zugleichen verſtand; ein paar Blätter mit Notizen ſchicke
ich noch mit ich kann ſie nicht beſſer ausmalen, Dir aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/290>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.