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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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rer Nähe gegeben wurde, sagte sie, nun will ich im Ein-
schlafen an die Musik denken die mich bald im Him-
mel empfangen wird, sie ließ sich auch noch Haare ab-
schneiden und sagte man solle sie mir nach ihrem Tode
geben, nebst einem Familienbild von Seekatz, worauf
sie mit deinem Vater deiner Schwester und Dir als
Schäfer gekleidet in anmuthiger Gegend abgemalt sind,
am andern Morgen war sie nicht mehr, sie war nächt-
lich hinüber geschlummert.

Das ist die Geschichte die ich Dir schon in Mün-
chen versprochen hatte, jetzt wo sie niedergeschrieben ist,
weiß ich nicht wie Du sie aufnehmen wirst, mir war
sie immer als etwas ganz außerordentliches vorgekom-
men und ich habe bei ihr so manche Gelübde gethan.

Von deinem Vater erzählte sie mir auch viel schö-
nes, er selbst war ein schöner Mann, sie heirathete ihn
ohne bestimmte Neigung, sie wußte ihn auf mancherlei
Weise zum Vortheil der Kinder zu lenken denen er mit
einer gewissen Strenge im Lernen zusetzte, doch muß er
auch sehr freundlich gegen Dich gewesen sein, da er
Stundenlang mit Dir von zukünftigen Reisen sprach
und Dir deine Zukunft so glanzvoll wie möglich aus-
malte, von einem großen Hausbau den dein Vater un-
ternahm, erzählte die Mutter auch und wie sie Dich da

rer Nähe gegeben wurde, ſagte ſie, nun will ich im Ein-
ſchlafen an die Muſik denken die mich bald im Him-
mel empfangen wird, ſie ließ ſich auch noch Haare ab-
ſchneiden und ſagte man ſolle ſie mir nach ihrem Tode
geben, nebſt einem Familienbild von Seekatz, worauf
ſie mit deinem Vater deiner Schweſter und Dir als
Schäfer gekleidet in anmuthiger Gegend abgemalt ſind,
am andern Morgen war ſie nicht mehr, ſie war nächt-
lich hinüber geſchlummert.

Das iſt die Geſchichte die ich Dir ſchon in Mün-
chen verſprochen hatte, jetzt wo ſie niedergeſchrieben iſt,
weiß ich nicht wie Du ſie aufnehmen wirſt, mir war
ſie immer als etwas ganz außerordentliches vorgekom-
men und ich habe bei ihr ſo manche Gelübde gethan.

Von deinem Vater erzählte ſie mir auch viel ſchö-
nes, er ſelbſt war ein ſchöner Mann, ſie heirathete ihn
ohne beſtimmte Neigung, ſie wußte ihn auf mancherlei
Weiſe zum Vortheil der Kinder zu lenken denen er mit
einer gewiſſen Strenge im Lernen zuſetzte, doch muß er
auch ſehr freundlich gegen Dich geweſen ſein, da er
Stundenlang mit Dir von zukünftigen Reiſen ſprach
und Dir deine Zukunft ſo glanzvoll wie möglich aus-
malte, von einem großen Hausbau den dein Vater un-
ternahm, erzählte die Mutter auch und wie ſie Dich da

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[279/0289] rer Nähe gegeben wurde, ſagte ſie, nun will ich im Ein- ſchlafen an die Muſik denken die mich bald im Him- mel empfangen wird, ſie ließ ſich auch noch Haare ab- ſchneiden und ſagte man ſolle ſie mir nach ihrem Tode geben, nebſt einem Familienbild von Seekatz, worauf ſie mit deinem Vater deiner Schweſter und Dir als Schäfer gekleidet in anmuthiger Gegend abgemalt ſind, am andern Morgen war ſie nicht mehr, ſie war nächt- lich hinüber geſchlummert. Das iſt die Geſchichte die ich Dir ſchon in Mün- chen verſprochen hatte, jetzt wo ſie niedergeſchrieben iſt, weiß ich nicht wie Du ſie aufnehmen wirſt, mir war ſie immer als etwas ganz außerordentliches vorgekom- men und ich habe bei ihr ſo manche Gelübde gethan. Von deinem Vater erzählte ſie mir auch viel ſchö- nes, er ſelbſt war ein ſchöner Mann, ſie heirathete ihn ohne beſtimmte Neigung, ſie wußte ihn auf mancherlei Weiſe zum Vortheil der Kinder zu lenken denen er mit einer gewiſſen Strenge im Lernen zuſetzte, doch muß er auch ſehr freundlich gegen Dich geweſen ſein, da er Stundenlang mit Dir von zukünftigen Reiſen ſprach und Dir deine Zukunft ſo glanzvoll wie möglich aus- malte, von einem großen Hausbau den dein Vater un- ternahm, erzählte die Mutter auch und wie ſie Dich da

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/289>, abgerufen am 24.11.2024.