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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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da lese welche Vorbedeutung mag das haben, ein Um-
schlag von Wein, Myren, Öl und Lorbeerblättern um
meine Knie zu stärken das mich seit diesem Sommer
anfing zu schmerzen, und endlich hat sich Wasser unter
der Narbe gesammelt, Du wirst aber sehen es wird nichts
helfen, mit diesen kaiserlichen Spezialien von Lorbeer,
Wein und Öl womit die Kaiser bei der Krönung ge-
salbt werden. Ich seh das schon kommen, daß das
Wasser sich nach dem Herzen ziehen wird und da wird
es gleich aus sein; sie sagte mir Lebe-wohl und sie wolle
mir sagen lassen wenn ich wieder kommen solle; ein
Paar Tage darauf ließ sie mich rufen sie lag zu Bett,
sie sagte: heute lieg ich wieder zu Bett wie damals als
ich kaum sechszehn Jahr alt war an derselben Wunde;
ich lachte mit ihr hierüber, und sagte ihr scherzweise
viel was sie rührte und erfreute; da sah sie mich noch
einmal recht feurig an, sie drückte mir die Hand und
sagte: Du bist so recht geeignet um mich in dieser Lei-
denszeit aufrecht zu halten, denn ich weiß wohl daß es
mit mir zu Ende geht. Sie sprach noch ein Paar Worte
von Dir und daß ich nicht aufhören solle Dich zu lie-
ben, und ihrem Enkel solle ich zu Weihnachten noch
einmal die gewohnten Zuckerwerke in ihrem Namen sen-
den, zwei Tage drauf am Abend wo ein Conzert in ih-

da leſe welche Vorbedeutung mag das haben, ein Um-
ſchlag von Wein, Myren, Öl und Lorbeerblättern um
meine Knie zu ſtärken das mich ſeit dieſem Sommer
anfing zu ſchmerzen, und endlich hat ſich Waſſer unter
der Narbe geſammelt, Du wirſt aber ſehen es wird nichts
helfen, mit dieſen kaiſerlichen Spezialien von Lorbeer,
Wein und Öl womit die Kaiſer bei der Krönung ge-
ſalbt werden. Ich ſeh das ſchon kommen, daß das
Waſſer ſich nach dem Herzen ziehen wird und da wird
es gleich aus ſein; ſie ſagte mir Lebe-wohl und ſie wolle
mir ſagen laſſen wenn ich wieder kommen ſolle; ein
Paar Tage darauf ließ ſie mich rufen ſie lag zu Bett,
ſie ſagte: heute lieg ich wieder zu Bett wie damals als
ich kaum ſechszehn Jahr alt war an derſelben Wunde;
ich lachte mit ihr hierüber, und ſagte ihr ſcherzweiſe
viel was ſie rührte und erfreute; da ſah ſie mich noch
einmal recht feurig an, ſie drückte mir die Hand und
ſagte: Du biſt ſo recht geeignet um mich in dieſer Lei-
denszeit aufrecht zu halten, denn ich weiß wohl daß es
mit mir zu Ende geht. Sie ſprach noch ein Paar Worte
von Dir und daß ich nicht aufhören ſolle Dich zu lie-
ben, und ihrem Enkel ſolle ich zu Weihnachten noch
einmal die gewohnten Zuckerwerke in ihrem Namen ſen-
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[278/0288] da leſe welche Vorbedeutung mag das haben, ein Um- ſchlag von Wein, Myren, Öl und Lorbeerblättern um meine Knie zu ſtärken das mich ſeit dieſem Sommer anfing zu ſchmerzen, und endlich hat ſich Waſſer unter der Narbe geſammelt, Du wirſt aber ſehen es wird nichts helfen, mit dieſen kaiſerlichen Spezialien von Lorbeer, Wein und Öl womit die Kaiſer bei der Krönung ge- ſalbt werden. Ich ſeh das ſchon kommen, daß das Waſſer ſich nach dem Herzen ziehen wird und da wird es gleich aus ſein; ſie ſagte mir Lebe-wohl und ſie wolle mir ſagen laſſen wenn ich wieder kommen ſolle; ein Paar Tage darauf ließ ſie mich rufen ſie lag zu Bett, ſie ſagte: heute lieg ich wieder zu Bett wie damals als ich kaum ſechszehn Jahr alt war an derſelben Wunde; ich lachte mit ihr hierüber, und ſagte ihr ſcherzweiſe viel was ſie rührte und erfreute; da ſah ſie mich noch einmal recht feurig an, ſie drückte mir die Hand und ſagte: Du biſt ſo recht geeignet um mich in dieſer Lei- denszeit aufrecht zu halten, denn ich weiß wohl daß es mit mir zu Ende geht. Sie ſprach noch ein Paar Worte von Dir und daß ich nicht aufhören ſolle Dich zu lie- ben, und ihrem Enkel ſolle ich zu Weihnachten noch einmal die gewohnten Zuckerwerke in ihrem Namen ſen- den, zwei Tage drauf am Abend wo ein Conzert in ih-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/288>, abgerufen am 24.11.2024.