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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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in der Luft mit dem man in die Ferne zieht, und höher
mit ihm steigt um früher den Ort der Sehnsucht zu er-
blicken. Im Winter ist's anders, da ruhen die Sinne
mit der Natur, nur die Gedanken graben heimlich in
der Seele fort wie die Arbeiter im Bergwerk nach. --
Darauf hoffe und baue auch ich, lieber Goethe, jetzt wo
ich empfinde wie öde und mangelhaft es in mir ist: daß
die Zeit kommen werde wo ich Dir mehr sagen und Dich
mehr fragen kann. Einmal wird mir doch einleuchten
was ich zu wissen fordere. Das deucht mir der einzige
Umgang mit Gott, nämlich die Frage um das Überir-
dische; und das scheint mir die einzige Größe des Men-
schen: diese Antwort zu empfinden, zu genießen. Ge-
wiß ist die Liebe auch eine Frage an Gott, und der Ge-
nuß in ihr ist eine Antwort von dem liebenden Gott
selbst.


Hier im Schloß welches man die Residenz heißt,
und siebzehn Höfe hat, ist in einem der Nebengebäude
ein kleiner, einsamer Hof, in der Mitte desselben steht
ein Springbrunnen: Perseus der die Medusa enthaup-
tet, in Erz, von einem Rasenplatz umgeben; ein Gang

in der Luft mit dem man in die Ferne zieht, und höher
mit ihm ſteigt um früher den Ort der Sehnſucht zu er-
blicken. Im Winter iſt's anders, da ruhen die Sinne
mit der Natur, nur die Gedanken graben heimlich in
der Seele fort wie die Arbeiter im Bergwerk nach. —
Darauf hoffe und baue auch ich, lieber Goethe, jetzt wo
ich empfinde wie öde und mangelhaft es in mir iſt: daß
die Zeit kommen werde wo ich Dir mehr ſagen und Dich
mehr fragen kann. Einmal wird mir doch einleuchten
was ich zu wiſſen fordere. Das deucht mir der einzige
Umgang mit Gott, nämlich die Frage um das Überir-
diſche; und das ſcheint mir die einzige Größe des Men-
ſchen: dieſe Antwort zu empfinden, zu genießen. Ge-
wiß iſt die Liebe auch eine Frage an Gott, und der Ge-
nuß in ihr iſt eine Antwort von dem liebenden Gott
ſelbſt.


Hier im Schloß welches man die Reſidenz heißt,
und ſiebzehn Höfe hat, iſt in einem der Nebengebäude
ein kleiner, einſamer Hof, in der Mitte deſſelben ſteht
ein Springbrunnen: Perſeus der die Meduſa enthaup-
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[18/0028] in der Luft mit dem man in die Ferne zieht, und höher mit ihm ſteigt um früher den Ort der Sehnſucht zu er- blicken. Im Winter iſt's anders, da ruhen die Sinne mit der Natur, nur die Gedanken graben heimlich in der Seele fort wie die Arbeiter im Bergwerk nach. — Darauf hoffe und baue auch ich, lieber Goethe, jetzt wo ich empfinde wie öde und mangelhaft es in mir iſt: daß die Zeit kommen werde wo ich Dir mehr ſagen und Dich mehr fragen kann. Einmal wird mir doch einleuchten was ich zu wiſſen fordere. Das deucht mir der einzige Umgang mit Gott, nämlich die Frage um das Überir- diſche; und das ſcheint mir die einzige Größe des Men- ſchen: dieſe Antwort zu empfinden, zu genießen. Ge- wiß iſt die Liebe auch eine Frage an Gott, und der Ge- nuß in ihr iſt eine Antwort von dem liebenden Gott ſelbſt. 4. Februar. Hier im Schloß welches man die Reſidenz heißt, und ſiebzehn Höfe hat, iſt in einem der Nebengebäude ein kleiner, einſamer Hof, in der Mitte deſſelben ſteht ein Springbrunnen: Perſeus der die Meduſa enthaup- tet, in Erz, von einem Raſenplatz umgeben; ein Gang

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/28>, abgerufen am 24.11.2024.