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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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in meiner Seele, ja meint nur ihr hättet die Welt ge-
fressen, wüßtet Ihr was die Frau Rath heute alles er-
lebt hat! Sie sagte mir daß sie sich in ihren ganzen
Leben nicht mit der ordinairen Tagsweise haben begnü-
gen können, daß ihr starker Geist auch wichtige und
tüchtige Begebenheiten habe verdauen wollen, und daß
ihr dies auch in vollem Maaße begegnet sei, sie sei
nicht allein um ihres Sohns willen da, sondern der
Sohn auch um ihrentwillen; und sie könne sich wohl
ihres Antheils an deinem Wirken und an deinem Ruhm
versichert halten, indem sich ja auch kein vollendeteres
und erhabeneres Glück denken lasse als um des Sohnes
willen allgemein so geehrt zu werden, sie hatte recht,
wer braucht das noch zu beleuchten es versteht sich von
selbst. So entfernt Du von ihr warst, so lange Zeit
auch: Du warst nie besser verstanden als von ihr; wäh-
rend Gelehrte, Philosophen und Kritiker Dich und deine
Werke untersuchten, war sie ein lebendiges Beispiel wie
Du aufzunehmen seist. Sie sagte mir oft einzelne Stel-
len aus deinen Büchern vor, so zu rechter Zeit, so mit
herrlichem Blick und Ton, daß in diesen, auch meine
Welt anfing lebendigere Farbe zu empfangen, und Ge-
schwister und Freunde dagegen in die Schattenseite tra-
ten. Das Lied: O laß mich scheinen bis ich werde,

in meiner Seele, ja meint nur ihr hättet die Welt ge-
freſſen, wüßtet Ihr was die Frau Rath heute alles er-
lebt hat! Sie ſagte mir daß ſie ſich in ihren ganzen
Leben nicht mit der ordinairen Tagsweiſe haben begnü-
gen können, daß ihr ſtarker Geiſt auch wichtige und
tüchtige Begebenheiten habe verdauen wollen, und daß
ihr dies auch in vollem Maaße begegnet ſei, ſie ſei
nicht allein um ihres Sohns willen da, ſondern der
Sohn auch um ihrentwillen; und ſie könne ſich wohl
ihres Antheils an deinem Wirken und an deinem Ruhm
verſichert halten, indem ſich ja auch kein vollendeteres
und erhabeneres Glück denken laſſe als um des Sohnes
willen allgemein ſo geehrt zu werden, ſie hatte recht,
wer braucht das noch zu beleuchten es verſteht ſich von
ſelbſt. So entfernt Du von ihr warſt, ſo lange Zeit
auch: Du warſt nie beſſer verſtanden als von ihr; wäh-
rend Gelehrte, Philoſophen und Kritiker Dich und deine
Werke unterſuchten, war ſie ein lebendiges Beiſpiel wie
Du aufzunehmen ſeiſt. Sie ſagte mir oft einzelne Stel-
len aus deinen Büchern vor, ſo zu rechter Zeit, ſo mit
herrlichem Blick und Ton, daß in dieſen, auch meine
Welt anfing lebendigere Farbe zu empfangen, und Ge-
ſchwiſter und Freunde dagegen in die Schattenſeite tra-
ten. Das Lied: O laß mich ſcheinen bis ich werde,

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[269/0279] in meiner Seele, ja meint nur ihr hättet die Welt ge- freſſen, wüßtet Ihr was die Frau Rath heute alles er- lebt hat! Sie ſagte mir daß ſie ſich in ihren ganzen Leben nicht mit der ordinairen Tagsweiſe haben begnü- gen können, daß ihr ſtarker Geiſt auch wichtige und tüchtige Begebenheiten habe verdauen wollen, und daß ihr dies auch in vollem Maaße begegnet ſei, ſie ſei nicht allein um ihres Sohns willen da, ſondern der Sohn auch um ihrentwillen; und ſie könne ſich wohl ihres Antheils an deinem Wirken und an deinem Ruhm verſichert halten, indem ſich ja auch kein vollendeteres und erhabeneres Glück denken laſſe als um des Sohnes willen allgemein ſo geehrt zu werden, ſie hatte recht, wer braucht das noch zu beleuchten es verſteht ſich von ſelbſt. So entfernt Du von ihr warſt, ſo lange Zeit auch: Du warſt nie beſſer verſtanden als von ihr; wäh- rend Gelehrte, Philoſophen und Kritiker Dich und deine Werke unterſuchten, war ſie ein lebendiges Beiſpiel wie Du aufzunehmen ſeiſt. Sie ſagte mir oft einzelne Stel- len aus deinen Büchern vor, ſo zu rechter Zeit, ſo mit herrlichem Blick und Ton, daß in dieſen, auch meine Welt anfing lebendigere Farbe zu empfangen, und Ge- ſchwiſter und Freunde dagegen in die Schattenſeite tra- ten. Das Lied: O laß mich ſcheinen bis ich werde,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/279>, abgerufen am 23.11.2024.