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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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zählungen, in den Kirchen hielt man Bußpredigten, der
Papst schrieb ein allgemeines Fasten aus, in den katho-
lischen Kirchen waren Requiem für die vom Erdbeben
verschlungenen. Betrachtungen aller Art wurden in Ge-
genwart der Kinder vielseitig besprochen, die Bibel wurde
aufgeschlagen, Gründe für und wieder behauptet, dies
alles beschäftigte den Wolfgang tiefer als einer ahn-
den konnte, und er machte am Ende eine Auslegung
davon die alle an Weisheit übertraf.

Nachdem er mit dem Großvater aus einer Pre-
digt kam in welcher die Weisheit des Schöpfers gleich-
sam gegen die betroffne Menschheit vertheidigt wurde
und der Vater ihn fragte wie er die Predigt verstan-
den habe, sagte er: "Am End mag alles noch viel
einfacher sein als der Prediger meint, Gott wird wohl
wissen daß der unsterblichen Seele durch böses Schicksal
kein Schaden geschehen kann." -- Von da an warst Du
wieder oben auf, doch meinte die Mutter daß deine re-
volutionairen Aufregungen bei diesem Erdbeben, später
beim Prometheus wieder zum Vorschein gekommen seien.

Laß mich Dir noch erzählen daß dein Großvater
zum Gedächtniß deiner Geburt einen Birnbaum in dem
wohl gepflegten Garten vor dem Bockenheimer Thor ge-
pflanzt hatte, der Baum ist sehr groß geworden, von

zählungen, in den Kirchen hielt man Bußpredigten, der
Papſt ſchrieb ein allgemeines Faſten aus, in den katho-
liſchen Kirchen waren Requiem für die vom Erdbeben
verſchlungenen. Betrachtungen aller Art wurden in Ge-
genwart der Kinder vielſeitig beſprochen, die Bibel wurde
aufgeſchlagen, Gründe für und wieder behauptet, dies
alles beſchäftigte den Wolfgang tiefer als einer ahn-
den konnte, und er machte am Ende eine Auslegung
davon die alle an Weisheit übertraf.

Nachdem er mit dem Großvater aus einer Pre-
digt kam in welcher die Weisheit des Schöpfers gleich-
ſam gegen die betroffne Menſchheit vertheidigt wurde
und der Vater ihn fragte wie er die Predigt verſtan-
den habe, ſagte er: „Am End mag alles noch viel
einfacher ſein als der Prediger meint, Gott wird wohl
wiſſen daß der unſterblichen Seele durch böſes Schickſal
kein Schaden geſchehen kann.“ — Von da an warſt Du
wieder oben auf, doch meinte die Mutter daß deine re-
volutionairen Aufregungen bei dieſem Erdbeben, ſpäter
beim Prometheus wieder zum Vorſchein gekommen ſeien.

Laß mich Dir noch erzählen daß dein Großvater
zum Gedächtniß deiner Geburt einen Birnbaum in dem
wohl gepflegten Garten vor dem Bockenheimer Thor ge-
pflanzt hatte, der Baum iſt ſehr groß geworden, von

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[254/0264] zählungen, in den Kirchen hielt man Bußpredigten, der Papſt ſchrieb ein allgemeines Faſten aus, in den katho- liſchen Kirchen waren Requiem für die vom Erdbeben verſchlungenen. Betrachtungen aller Art wurden in Ge- genwart der Kinder vielſeitig beſprochen, die Bibel wurde aufgeſchlagen, Gründe für und wieder behauptet, dies alles beſchäftigte den Wolfgang tiefer als einer ahn- den konnte, und er machte am Ende eine Auslegung davon die alle an Weisheit übertraf. Nachdem er mit dem Großvater aus einer Pre- digt kam in welcher die Weisheit des Schöpfers gleich- ſam gegen die betroffne Menſchheit vertheidigt wurde und der Vater ihn fragte wie er die Predigt verſtan- den habe, ſagte er: „Am End mag alles noch viel einfacher ſein als der Prediger meint, Gott wird wohl wiſſen daß der unſterblichen Seele durch böſes Schickſal kein Schaden geſchehen kann.“ — Von da an warſt Du wieder oben auf, doch meinte die Mutter daß deine re- volutionairen Aufregungen bei dieſem Erdbeben, ſpäter beim Prometheus wieder zum Vorſchein gekommen ſeien. Laß mich Dir noch erzählen daß dein Großvater zum Gedächtniß deiner Geburt einen Birnbaum in dem wohl gepflegten Garten vor dem Bockenheimer Thor ge- pflanzt hatte, der Baum iſt ſehr groß geworden, von

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/264>, abgerufen am 25.11.2024.