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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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vor vierundzwanzig Stunden frische Luft in's Zimmer
gebracht hat. Nun war ich aber seitdem wie ein Dachs,
dem die Winterwelt zu schlecht ist, und habe mich in
den warmen Boden meiner eignen Gedanken vergraben.
Was Du verlangst, hat für mich immer den Werth,
daß ich es der Gabe würdig achte; ich gebe daher die
Nahrung, das Leben zweier regen Jahre gern in dein
Gewahrsam, es ist wenig in Bezug auf viel, aber un-
endlich, weil es einzig ist; Du selber könntest Dich viel-
leicht wundern, daß ich Dinge in den Tempel eintrug,
und mein Dasein durch sie weihete, die man doch aller
Orten findet; an jeder Hecke kann man in der Früh-
lingszeit Blüthen abbrechen; aber wie, lieber Herr! so
unscheinbar die Blüthe auch ist, wenn sie nun nach Jah-
ren immer noch duftet und grünt? -- Deine Mutter
gebar Dich in ihrem siebzehnten Jahr, und im sechsund-
siebigsten konnte sie alles noch mitleben was in deinen
ersten Jahren vorging, und sie besäete das junge Feld,
das guten Boden, aber keine Blumen hatte, mit diesen
ewigen Blüthen; und so kann ich Dir wohl gefallen,
da ich gleichsam ein duftender Garten dieser Erinnerun-
gen
bin, worunter deiner Mutter Zärtlichkeit die schönste
Blüthe ist, und -- darf ich's sagen? -- meine Treue
die gewaltigste. -- Ich trug nun schon früher Sorge

vor vierundzwanzig Stunden friſche Luft in's Zimmer
gebracht hat. Nun war ich aber ſeitdem wie ein Dachs,
dem die Winterwelt zu ſchlecht iſt, und habe mich in
den warmen Boden meiner eignen Gedanken vergraben.
Was Du verlangſt, hat für mich immer den Werth,
daß ich es der Gabe würdig achte; ich gebe daher die
Nahrung, das Leben zweier regen Jahre gern in dein
Gewahrſam, es iſt wenig in Bezug auf viel, aber un-
endlich, weil es einzig iſt; Du ſelber könnteſt Dich viel-
leicht wundern, daß ich Dinge in den Tempel eintrug,
und mein Daſein durch ſie weihete, die man doch aller
Orten findet; an jeder Hecke kann man in der Früh-
lingszeit Blüthen abbrechen; aber wie, lieber Herr! ſo
unſcheinbar die Blüthe auch iſt, wenn ſie nun nach Jah-
ren immer noch duftet und grünt? — Deine Mutter
gebar Dich in ihrem ſiebzehnten Jahr, und im ſechsund-
ſiebigſten konnte ſie alles noch mitleben was in deinen
erſten Jahren vorging, und ſie beſäete das junge Feld,
das guten Boden, aber keine Blumen hatte, mit dieſen
ewigen Blüthen; und ſo kann ich Dir wohl gefallen,
da ich gleichſam ein duftender Garten dieſer Erinnerun-
gen
bin, worunter deiner Mutter Zärtlichkeit die ſchönſte
Blüthe iſt, und — darf ich's ſagen? — meine Treue
die gewaltigſte. — Ich trug nun ſchon früher Sorge

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[237/0247] vor vierundzwanzig Stunden friſche Luft in's Zimmer gebracht hat. Nun war ich aber ſeitdem wie ein Dachs, dem die Winterwelt zu ſchlecht iſt, und habe mich in den warmen Boden meiner eignen Gedanken vergraben. Was Du verlangſt, hat für mich immer den Werth, daß ich es der Gabe würdig achte; ich gebe daher die Nahrung, das Leben zweier regen Jahre gern in dein Gewahrſam, es iſt wenig in Bezug auf viel, aber un- endlich, weil es einzig iſt; Du ſelber könnteſt Dich viel- leicht wundern, daß ich Dinge in den Tempel eintrug, und mein Daſein durch ſie weihete, die man doch aller Orten findet; an jeder Hecke kann man in der Früh- lingszeit Blüthen abbrechen; aber wie, lieber Herr! ſo unſcheinbar die Blüthe auch iſt, wenn ſie nun nach Jah- ren immer noch duftet und grünt? — Deine Mutter gebar Dich in ihrem ſiebzehnten Jahr, und im ſechsund- ſiebigſten konnte ſie alles noch mitleben was in deinen erſten Jahren vorging, und ſie beſäete das junge Feld, das guten Boden, aber keine Blumen hatte, mit dieſen ewigen Blüthen; und ſo kann ich Dir wohl gefallen, da ich gleichſam ein duftender Garten dieſer Erinnerun- gen bin, worunter deiner Mutter Zärtlichkeit die ſchönſte Blüthe iſt, und — darf ich's ſagen? — meine Treue die gewaltigſte. — Ich trug nun ſchon früher Sorge

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/247>, abgerufen am 24.11.2024.