ben. -- Es ist halt überall ruhig, oder vielmehr öde. Daß die Wahrheit sei, dazu gehört nicht einer; aber daß die Wahrheit sich an ihnen bewähre dazu gehören alle Menschen. Mann! dessen Fleisch und Bein so von der Schönheit deiner Seele durchdrungen ist, wie darf ich Leib und Seele so beisammen lieb haben! -- oft denk ich bei mir ich möchte besser und herrlicher sein damit ich doch die Ansprüche an Dich rechtfertigen könnte aber kann ich's? -- Dann muß ich an Dich denken, Dich vor mir sehen, und habe nichts wenn mir die Liebe nicht als Verdienst gelten soll? -- solche Liebe ist nicht unfruchtbar. -- Und doch darf ich nicht nach- denken, ich könnte mir den Tod dran holen, ist was dran gelegen? -- ja wohl! ich hab eine Wiege in dei- nem Herzen und wer mich da heraus stielt, sei es Tod oder Leben der raubt Dir ein Kind. Ein Kopfkissen möcht ich mit Dir haben, aber ein hartes; sag es nie- mand daß ich so bei Dir liegen möchte, in tiefster Ruh an deiner Seite. Es giebt viele Auswege und Durchgänge in der Welt, einsame Wälder und Höhlen die kein End haben, aber keiner ist so zum Schlaf zum Wohlsein eingerichtet als nur Gottes Schooß; ich denk mir's da breit und behaglich, und daß einer mit dem Kopf auf des andern Brust ruhe, und daß ein warmer
ben. — Es iſt halt überall ruhig, oder vielmehr öde. Daß die Wahrheit ſei, dazu gehört nicht einer; aber daß die Wahrheit ſich an ihnen bewähre dazu gehören alle Menſchen. Mann! deſſen Fleiſch und Bein ſo von der Schönheit deiner Seele durchdrungen iſt, wie darf ich Leib und Seele ſo beiſammen lieb haben! — oft denk ich bei mir ich möchte beſſer und herrlicher ſein damit ich doch die Anſprüche an Dich rechtfertigen könnte aber kann ich's? — Dann muß ich an Dich denken, Dich vor mir ſehen, und habe nichts wenn mir die Liebe nicht als Verdienſt gelten ſoll? — ſolche Liebe iſt nicht unfruchtbar. — Und doch darf ich nicht nach- denken, ich könnte mir den Tod dran holen, iſt was dran gelegen? — ja wohl! ich hab eine Wiege in dei- nem Herzen und wer mich da heraus ſtielt, ſei es Tod oder Leben der raubt Dir ein Kind. Ein Kopfkiſſen möcht ich mit Dir haben, aber ein hartes; ſag es nie- mand daß ich ſo bei Dir liegen möchte, in tiefſter Ruh an deiner Seite. Es giebt viele Auswege und Durchgänge in der Welt, einſame Wälder und Höhlen die kein End haben, aber keiner iſt ſo zum Schlaf zum Wohlſein eingerichtet als nur Gottes Schooß; ich denk mir's da breit und behaglich, und daß einer mit dem Kopf auf des andern Bruſt ruhe, und daß ein warmer
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ben. — Es iſt halt überall ruhig, oder vielmehr öde.
Daß die Wahrheit ſei, dazu gehört nicht einer; aber
daß die Wahrheit ſich an ihnen bewähre dazu gehören
alle Menſchen. Mann! deſſen Fleiſch und Bein ſo von
der Schönheit deiner Seele durchdrungen iſt, wie darf
ich Leib und Seele ſo beiſammen lieb haben! — oft
denk ich bei mir ich möchte beſſer und herrlicher ſein
damit ich doch die Anſprüche an Dich rechtfertigen
könnte aber kann ich's? — Dann muß ich an Dich
denken, Dich vor mir ſehen, und habe nichts wenn mir
die Liebe nicht als Verdienſt gelten ſoll? — ſolche Liebe
iſt nicht unfruchtbar. — Und doch darf ich nicht nach-
denken, ich könnte mir den Tod dran holen, iſt was
dran gelegen? — ja wohl! ich hab eine Wiege in dei-
nem Herzen und wer mich da heraus ſtielt, ſei es Tod
oder Leben der raubt Dir ein Kind. Ein Kopfkiſſen
möcht ich mit Dir haben, aber ein hartes; ſag es nie-
mand daß ich ſo bei Dir liegen möchte, in tiefſter
Ruh an deiner Seite. Es giebt viele Auswege und
Durchgänge in der Welt, einſame Wälder und Höhlen
die kein End haben, aber keiner iſt ſo zum Schlaf zum
Wohlſein eingerichtet als nur Gottes Schooß; ich denk
mir's da breit und behaglich, und daß einer mit dem
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/244>, abgerufen am 24.11.2024.
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