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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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men, daß sie Zeugniß giebt von der Vermittelung des
Göttlichen in ihm.

Musik giebt dem Geist die Beziehung zur Harmo-
nie. Ein Gedanke abgesondert, hat doch das Gefühl der
Gesammtheit der Verwandtschaft im Geist; so ist jeder
Gedanke in der Musik in innigster, untheilbarster Ver-
wandtschaft mit der Gesammtheit der Harmonie die
Einheit.

Alles elektrische regt den Geist zu musikalischer, flie-
ßender, ausströmender Erzeugung.

Ich bin elektrischer Natur. -- Ich muß abbrechen
mit meiner unerweislichen Weisheit, sonst möchte ich die
Probe versäumen, schreiben Sie an Goethe von mir,
wenn Sie mich verstehen, aber verantworten kann ich
nichts, und will mich auch gern belehren lassen von
ihm." -- Ich versprach ihm, so gut ich's begreife, Dir
alles zu schreiben. -- Er führte mich zu einer großen
Musikprobe mit vollem Orchester, da saß ich im weiten
unerhellten Raum in einer Loge ganz allein; einzelne
Streiflichter stahlen sich durch Ritzen und Astlöcher, in
denen ein Strom bunter Lichtfunken hin und her tanzte,
wie Himmelsstraßen mit seeligen Geistern bevölkert.

Da sah ich denn diesen ungeheuren Geist sein Re-
giment führen. O, Goethe! kein Kaiser und kein König

men, daß ſie Zeugniß giebt von der Vermittelung des
Göttlichen in ihm.

Muſik giebt dem Geiſt die Beziehung zur Harmo-
nie. Ein Gedanke abgeſondert, hat doch das Gefühl der
Geſammtheit der Verwandtſchaft im Geiſt; ſo iſt jeder
Gedanke in der Muſik in innigſter, untheilbarſter Ver-
wandtſchaft mit der Geſammtheit der Harmonie die
Einheit.

Alles elektriſche regt den Geiſt zu muſikaliſcher, flie-
ßender, ausſtrömender Erzeugung.

Ich bin elektriſcher Natur. — Ich muß abbrechen
mit meiner unerweislichen Weisheit, ſonſt möchte ich die
Probe verſäumen, ſchreiben Sie an Goethe von mir,
wenn Sie mich verſtehen, aber verantworten kann ich
nichts, und will mich auch gern belehren laſſen von
ihm.“ — Ich verſprach ihm, ſo gut ich's begreife, Dir
alles zu ſchreiben. — Er führte mich zu einer großen
Muſikprobe mit vollem Orcheſter, da ſaß ich im weiten
unerhellten Raum in einer Loge ganz allein; einzelne
Streiflichter ſtahlen ſich durch Ritzen und Aſtlöcher, in
denen ein Strom bunter Lichtfunken hin und her tanzte,
wie Himmelsſtraßen mit ſeeligen Geiſtern bevölkert.

Da ſah ich denn dieſen ungeheuren Geiſt ſein Re-
giment führen. O, Goethe! kein Kaiſer und kein König

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[199/0209] men, daß ſie Zeugniß giebt von der Vermittelung des Göttlichen in ihm. Muſik giebt dem Geiſt die Beziehung zur Harmo- nie. Ein Gedanke abgeſondert, hat doch das Gefühl der Geſammtheit der Verwandtſchaft im Geiſt; ſo iſt jeder Gedanke in der Muſik in innigſter, untheilbarſter Ver- wandtſchaft mit der Geſammtheit der Harmonie die Einheit. Alles elektriſche regt den Geiſt zu muſikaliſcher, flie- ßender, ausſtrömender Erzeugung. Ich bin elektriſcher Natur. — Ich muß abbrechen mit meiner unerweislichen Weisheit, ſonſt möchte ich die Probe verſäumen, ſchreiben Sie an Goethe von mir, wenn Sie mich verſtehen, aber verantworten kann ich nichts, und will mich auch gern belehren laſſen von ihm.“ — Ich verſprach ihm, ſo gut ich's begreife, Dir alles zu ſchreiben. — Er führte mich zu einer großen Muſikprobe mit vollem Orcheſter, da ſaß ich im weiten unerhellten Raum in einer Loge ganz allein; einzelne Streiflichter ſtahlen ſich durch Ritzen und Aſtlöcher, in denen ein Strom bunter Lichtfunken hin und her tanzte, wie Himmelsſtraßen mit ſeeligen Geiſtern bevölkert. Da ſah ich denn dieſen ungeheuren Geiſt ſein Re- giment führen. O, Goethe! kein Kaiſer und kein König

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/209>, abgerufen am 23.11.2024.