um die Natur zu preisen, bei ihm ist aber ein Wort wie der Anschlag in einem Bergwerk, eine Schicht führt zur andern; es ging in einen fröhlichen Abend über, die Thäler breiteten sich rechts und links, als wären sie das eigentliche Reich, das unendliche gelobte Land. Lang- sam wie Geister hob sich hie und da ein Berg, und sank allmählig in seinem blitzenden Schneemantel wie- der unter. Mit der Nacht waren wir in Salzburg, es war schauerlich die glattgesprengten Felsen himmelhoch über den Häusern hervorragen zu sehen, die wie ein Erd- himmel über der Stadt schwebten im Sternenlicht, -- und die Lanternen, die da all mit den Leutlein durch die Straßen fackelten, und endlich die vier Hörner, die schmetternd vom Kirchthurm den Abendseegen bliesen, da tönte alles Gestein und gab das Lied vielfältig zu- rück. -- Die Nacht hatte in dieser Fremde ihren Zau- bermantel über uns geworfen, wir wußten nicht wie das war daß alles sich beugte und wankte, das ganze Fir- mament schien zu athmen, ich war über alles glücklich, Du weißt ja wie das ist, wenn man aus sich selber, wo man so lange gesonnen und gesponnen, heraustritt ganz in's Freie.
Wie kann ich Dir nun von diesem Reichthum er-
um die Natur zu preiſen, bei ihm iſt aber ein Wort wie der Anſchlag in einem Bergwerk, eine Schicht führt zur andern; es ging in einen fröhlichen Abend über, die Thäler breiteten ſich rechts und links, als wären ſie das eigentliche Reich, das unendliche gelobte Land. Lang- ſam wie Geiſter hob ſich hie und da ein Berg, und ſank allmählig in ſeinem blitzenden Schneemantel wie- der unter. Mit der Nacht waren wir in Salzburg, es war ſchauerlich die glattgeſprengten Felſen himmelhoch über den Häuſern hervorragen zu ſehen, die wie ein Erd- himmel über der Stadt ſchwebten im Sternenlicht, — und die Lanternen, die da all mit den Leutlein durch die Straßen fackelten, und endlich die vier Hörner, die ſchmetternd vom Kirchthurm den Abendſeegen blieſen, da tönte alles Geſtein und gab das Lied vielfältig zu- rück. — Die Nacht hatte in dieſer Fremde ihren Zau- bermantel über uns geworfen, wir wußten nicht wie das war daß alles ſich beugte und wankte, das ganze Fir- mament ſchien zu athmen, ich war über alles glücklich, Du weißt ja wie das iſt, wenn man aus ſich ſelber, wo man ſo lange geſonnen und geſponnen, heraustritt ganz in's Freie.
Wie kann ich Dir nun von dieſem Reichthum er-
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um die Natur zu preiſen, bei ihm iſt aber ein Wort
wie der Anſchlag in einem Bergwerk, eine Schicht führt
zur andern; es ging in einen fröhlichen Abend über, die
Thäler breiteten ſich rechts und links, als wären ſie das
eigentliche Reich, das unendliche gelobte Land. Lang-
ſam wie Geiſter hob ſich hie und da ein Berg, und
ſank allmählig in ſeinem blitzenden Schneemantel wie-
der unter. Mit der Nacht waren wir in Salzburg, es
war ſchauerlich die glattgeſprengten Felſen himmelhoch
über den Häuſern hervorragen zu ſehen, die wie ein Erd-
himmel über der Stadt ſchwebten im Sternenlicht, —
und die Lanternen, die da all mit den Leutlein durch
die Straßen fackelten, und endlich die vier Hörner, die
ſchmetternd vom Kirchthurm den Abendſeegen blieſen,
da tönte alles Geſtein und gab das Lied vielfältig zu-
rück. — Die Nacht hatte in dieſer Fremde ihren Zau-
bermantel über uns geworfen, wir wußten nicht wie das
war daß alles ſich beugte und wankte, das ganze Fir-
mament ſchien zu athmen, ich war über alles glücklich,
Du weißt ja wie das iſt, wenn man aus ſich ſelber,
wo man ſo lange geſonnen und geſponnen, heraustritt
ganz in's Freie.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/196>, abgerufen am 22.11.2024.
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