Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Pilger zog mich mit sich fort zur gegenüberstehenden
Thür hinaus, ich wartete lange auf das Kind, ich hätte
es so gern geküßt, und wollte ihm eine kleine goldne
Kette schenken, die ich am Hals trage, weil es mir ein
so gutes Zeichen gegeben hatte für Dich, denn ich dachte
grade in dem Augenblick, wo es mir den Kranz abnahm,
an Dich, aber das Kindchen kam nicht heraus, der Wa-
gen stand vor der Thür, ich schwang mich auf meinen
Kutschersitz, auf jeder Station hatte ich einen andern
Kameraden, der den Sitz mit mir theilte und zugleich
mir seine Herzensangelegenheiten mittheilte, sie fingen
immer so schüchtern davon an, daß mir bange ward,
aber weit gefehlt, allemal war's eine andre, keinmal
war ich's.

Unsre Reise ging durch einen Wald von Blüthen,
der Wind streute sie wie einen Regen nieder, die Bie-
nen flogen nach den Blumen, die ich hinter's Ohr ge-
steckt hatte, gelt, das war angenehm! --


Von Salzburg muß ich Dir noch erzählen. Die
letzte Station, vorher Laufen, diesmal saß Freiberg mit
mir auf dem Kutschersitz, er öffnete lächelnd seinen Mund,

Pilger zog mich mit ſich fort zur gegenüberſtehenden
Thür hinaus, ich wartete lange auf das Kind, ich hätte
es ſo gern geküßt, und wollte ihm eine kleine goldne
Kette ſchenken, die ich am Hals trage, weil es mir ein
ſo gutes Zeichen gegeben hatte für Dich, denn ich dachte
grade in dem Augenblick, wo es mir den Kranz abnahm,
an Dich, aber das Kindchen kam nicht heraus, der Wa-
gen ſtand vor der Thür, ich ſchwang mich auf meinen
Kutſcherſitz, auf jeder Station hatte ich einen andern
Kameraden, der den Sitz mit mir theilte und zugleich
mir ſeine Herzensangelegenheiten mittheilte, ſie fingen
immer ſo ſchüchtern davon an, daß mir bange ward,
aber weit gefehlt, allemal war's eine andre, keinmal
war ich's.

Unſre Reiſe ging durch einen Wald von Blüthen,
der Wind ſtreute ſie wie einen Regen nieder, die Bie-
nen flogen nach den Blumen, die ich hinter's Ohr ge-
ſteckt hatte, gelt, das war angenehm! —


Von Salzburg muß ich Dir noch erzählen. Die
letzte Station, vorher Laufen, diesmal ſaß Freiberg mit
mir auf dem Kutſcherſitz, er öffnete lächelnd ſeinen Mund,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0195" n="185"/>
Pilger zog mich mit &#x017F;ich fort zur gegenüber&#x017F;tehenden<lb/>
Thür hinaus, ich wartete lange auf das Kind, ich hätte<lb/>
es &#x017F;o gern geküßt, und wollte ihm eine kleine goldne<lb/>
Kette &#x017F;chenken, die ich am Hals trage, weil es mir ein<lb/>
&#x017F;o gutes Zeichen gegeben hatte für Dich, denn ich dachte<lb/>
grade in dem Augenblick, wo es mir den Kranz abnahm,<lb/>
an Dich, aber das Kindchen kam nicht heraus, der Wa-<lb/>
gen &#x017F;tand vor der Thür, ich &#x017F;chwang mich auf meinen<lb/>
Kut&#x017F;cher&#x017F;itz, auf jeder Station hatte ich einen andern<lb/>
Kameraden, der den Sitz mit mir theilte und zugleich<lb/>
mir &#x017F;eine Herzensangelegenheiten mittheilte, &#x017F;ie fingen<lb/>
immer &#x017F;o &#x017F;chüchtern davon an, daß mir bange ward,<lb/>
aber weit gefehlt, allemal war's eine andre, keinmal<lb/>
war ich's.</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;re Rei&#x017F;e ging durch einen Wald von Blüthen,<lb/>
der Wind &#x017F;treute &#x017F;ie wie einen Regen nieder, die Bie-<lb/>
nen flogen nach den Blumen, die ich hinter's Ohr ge-<lb/>
&#x017F;teckt hatte, gelt, das war angenehm! &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#et">26. Mai.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Von Salzburg muß ich Dir noch erzählen. Die<lb/>
letzte Station, vorher Laufen, diesmal &#x017F;aß Freiberg mit<lb/>
mir auf dem Kut&#x017F;cher&#x017F;itz, er öffnete lächelnd &#x017F;einen Mund,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0195] Pilger zog mich mit ſich fort zur gegenüberſtehenden Thür hinaus, ich wartete lange auf das Kind, ich hätte es ſo gern geküßt, und wollte ihm eine kleine goldne Kette ſchenken, die ich am Hals trage, weil es mir ein ſo gutes Zeichen gegeben hatte für Dich, denn ich dachte grade in dem Augenblick, wo es mir den Kranz abnahm, an Dich, aber das Kindchen kam nicht heraus, der Wa- gen ſtand vor der Thür, ich ſchwang mich auf meinen Kutſcherſitz, auf jeder Station hatte ich einen andern Kameraden, der den Sitz mit mir theilte und zugleich mir ſeine Herzensangelegenheiten mittheilte, ſie fingen immer ſo ſchüchtern davon an, daß mir bange ward, aber weit gefehlt, allemal war's eine andre, keinmal war ich's. Unſre Reiſe ging durch einen Wald von Blüthen, der Wind ſtreute ſie wie einen Regen nieder, die Bie- nen flogen nach den Blumen, die ich hinter's Ohr ge- ſteckt hatte, gelt, das war angenehm! — 26. Mai. Von Salzburg muß ich Dir noch erzählen. Die letzte Station, vorher Laufen, diesmal ſaß Freiberg mit mir auf dem Kutſcherſitz, er öffnete lächelnd ſeinen Mund,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/195
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/195>, abgerufen am 25.11.2024.