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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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sondern lauter viereckige Scheiben, doch liebt der Schul-
meister die Dämmerung; er saß hinter dem Ofen, hatte
ein blaues Schnupftuch über dem Kopf hängen, um sich
vor den Fliegen zu schützen, die lange Pfeife war ihm
entfallen, und er schlief und schnarchte daß es wieder-
hallte; die Schreibbücher lagen alle aufgehäuft vor ihm,
um Vorschriften im Schönschreiben zu machen; -- ich
malte einen Storch, der auf seinem Neste steht, und
schrieb darunter:

Ihr Kind lernt bauen Euer Nest, mit eigner Hand
auf's allerbest. Die Tanne in dem Walde stolz, die
fällt zu Euerm Zimmerholz. Und dann, wenn alle Wände
stehn, müßt Ihr Euch nach 'ner Eich umsehn; daraus
Ihr schnitzelt Bank und Tisch, worauf Ihr speist gebrat-
nen Fisch. Das best Holz nehmt zu Bett und Wiegen
für Frau und Kind, die Ihr werd't kriegen, und lernt
benützen Gottes Seegen, bei Sonnenschein und auch bei
Regen. Dann steht Ihr stolz auf eignem Hort, wie
der Storch auf seinem Neste dort. Der möge stets bei
Euch einkehren, um böses Schicksal abzuwehren. Dann
lernt noch schreiben Euern Namen, unter gerechte Sach,
ich sage Amen. Das ist das echte Kultursheim, wor-
auf ich machte diesen Reim.

Ich flirrte jeden Augenblick zur Thür hinaus, aus

ſondern lauter viereckige Scheiben, doch liebt der Schul-
meiſter die Dämmerung; er ſaß hinter dem Ofen, hatte
ein blaues Schnupftuch über dem Kopf hängen, um ſich
vor den Fliegen zu ſchützen, die lange Pfeife war ihm
entfallen, und er ſchlief und ſchnarchte daß es wieder-
hallte; die Schreibbücher lagen alle aufgehäuft vor ihm,
um Vorſchriften im Schönſchreiben zu machen; — ich
malte einen Storch, der auf ſeinem Neſte ſteht, und
ſchrieb darunter:

Ihr Kind lernt bauen Euer Neſt, mit eigner Hand
auf's allerbeſt. Die Tanne in dem Walde ſtolz, die
fällt zu Euerm Zimmerholz. Und dann, wenn alle Wände
ſtehn, müßt Ihr Euch nach 'ner Eich umſehn; daraus
Ihr ſchnitzelt Bank und Tiſch, worauf Ihr ſpeiſt gebrat-
nen Fiſch. Das beſt Holz nehmt zu Bett und Wiegen
für Frau und Kind, die Ihr werd't kriegen, und lernt
benützen Gottes Seegen, bei Sonnenſchein und auch bei
Regen. Dann ſteht Ihr ſtolz auf eignem Hort, wie
der Storch auf ſeinem Neſte dort. Der möge ſtets bei
Euch einkehren, um böſes Schickſal abzuwehren. Dann
lernt noch ſchreiben Euern Namen, unter gerechte Sach,
ich ſage Amen. Das iſt das echte Kultursheim, wor-
auf ich machte dieſen Reim.

Ich flirrte jeden Augenblick zur Thür hinaus, aus

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[162/0172] ſondern lauter viereckige Scheiben, doch liebt der Schul- meiſter die Dämmerung; er ſaß hinter dem Ofen, hatte ein blaues Schnupftuch über dem Kopf hängen, um ſich vor den Fliegen zu ſchützen, die lange Pfeife war ihm entfallen, und er ſchlief und ſchnarchte daß es wieder- hallte; die Schreibbücher lagen alle aufgehäuft vor ihm, um Vorſchriften im Schönſchreiben zu machen; — ich malte einen Storch, der auf ſeinem Neſte ſteht, und ſchrieb darunter: Ihr Kind lernt bauen Euer Neſt, mit eigner Hand auf's allerbeſt. Die Tanne in dem Walde ſtolz, die fällt zu Euerm Zimmerholz. Und dann, wenn alle Wände ſtehn, müßt Ihr Euch nach 'ner Eich umſehn; daraus Ihr ſchnitzelt Bank und Tiſch, worauf Ihr ſpeiſt gebrat- nen Fiſch. Das beſt Holz nehmt zu Bett und Wiegen für Frau und Kind, die Ihr werd't kriegen, und lernt benützen Gottes Seegen, bei Sonnenſchein und auch bei Regen. Dann ſteht Ihr ſtolz auf eignem Hort, wie der Storch auf ſeinem Neſte dort. Der möge ſtets bei Euch einkehren, um böſes Schickſal abzuwehren. Dann lernt noch ſchreiben Euern Namen, unter gerechte Sach, ich ſage Amen. Das iſt das echte Kultursheim, wor- auf ich machte dieſen Reim. Ich flirrte jeden Augenblick zur Thür hinaus, aus

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/172>, abgerufen am 22.11.2024.