wenige einfache Menschen, denen kann ich's erlauben, daß sie über Dich sprechen, und das braucht nicht grade Lob zu sein, nein, man kann sich ein bischen über Dich lustig machen, und da kann ich Dir sagen, daß sich ein unbarmherziger Muthwille in mir regt, wenn ich die Sclavenketten ein bischen abwerfen kann.
Sechstens: hab ich einen tiefen Unwillen in der Seele, daß Du es nicht bist mit dem ich unter einem Dach wohne und dieselbe Luft einathme, ich fürchte mich in der Nähe fremder Menschen zu sein, in der Kirche suche ich mir einen Platz auf der Bank der Bettler, weil die am neutralsten sind, je vornehmer die Menschen, je stärker ist mein Widerwillen; angerührt zu werden, macht mich zornig, krank und unglücklich; so kann ich's auch in Gesellschaften auf Bällen nie lange aushalten, tan- zen mag ich gern, wenn ich allein tanzen könnte, auf einem freien Platz, wo mich der Athem, der aus fremder Brust kömmt, nicht berührte. Was könnte das für ei- nen Einfluß auf die Seele haben, nur neben dem Freund zu leben? -- um so schmerzlicher der Kampf gegen das was geistig und leiblich ewig fremd bleiben muß.
Siebentens: wenn ich in Gesellschaft soll vorlesen hören, setze ich mich in eine Ecke und halte die Ohren heimlich zu, oder ich verliere mich über dem ersten besten
wenige einfache Menſchen, denen kann ich's erlauben, daß ſie über Dich ſprechen, und das braucht nicht grade Lob zu ſein, nein, man kann ſich ein bischen über Dich luſtig machen, und da kann ich Dir ſagen, daß ſich ein unbarmherziger Muthwille in mir regt, wenn ich die Sclavenketten ein bischen abwerfen kann.
Sechſtens: hab ich einen tiefen Unwillen in der Seele, daß Du es nicht biſt mit dem ich unter einem Dach wohne und dieſelbe Luft einathme, ich fürchte mich in der Nähe fremder Menſchen zu ſein, in der Kirche ſuche ich mir einen Platz auf der Bank der Bettler, weil die am neutralſten ſind, je vornehmer die Menſchen, je ſtärker iſt mein Widerwillen; angerührt zu werden, macht mich zornig, krank und unglücklich; ſo kann ich's auch in Geſellſchaften auf Bällen nie lange aushalten, tan- zen mag ich gern, wenn ich allein tanzen könnte, auf einem freien Platz, wo mich der Athem, der aus fremder Bruſt kömmt, nicht berührte. Was könnte das für ei- nen Einfluß auf die Seele haben, nur neben dem Freund zu leben? — um ſo ſchmerzlicher der Kampf gegen das was geiſtig und leiblich ewig fremd bleiben muß.
Siebentens: wenn ich in Geſellſchaft ſoll vorleſen hören, ſetze ich mich in eine Ecke und halte die Ohren heimlich zu, oder ich verliere mich über dem erſten beſten
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wenige einfache Menſchen, denen kann ich's erlauben,
daß ſie über Dich ſprechen, und das braucht nicht grade
Lob zu ſein, nein, man kann ſich ein bischen über Dich
luſtig machen, und da kann ich Dir ſagen, daß ſich ein
unbarmherziger Muthwille in mir regt, wenn ich die
Sclavenketten ein bischen abwerfen kann.
Sechſtens: hab ich einen tiefen Unwillen in der
Seele, daß Du es nicht biſt mit dem ich unter einem
Dach wohne und dieſelbe Luft einathme, ich fürchte mich
in der Nähe fremder Menſchen zu ſein, in der Kirche
ſuche ich mir einen Platz auf der Bank der Bettler, weil
die am neutralſten ſind, je vornehmer die Menſchen, je
ſtärker iſt mein Widerwillen; angerührt zu werden, macht
mich zornig, krank und unglücklich; ſo kann ich's auch
in Geſellſchaften auf Bällen nie lange aushalten, tan-
zen mag ich gern, wenn ich allein tanzen könnte, auf
einem freien Platz, wo mich der Athem, der aus fremder
Bruſt kömmt, nicht berührte. Was könnte das für ei-
nen Einfluß auf die Seele haben, nur neben dem Freund
zu leben? — um ſo ſchmerzlicher der Kampf gegen das
was geiſtig und leiblich ewig fremd bleiben muß.
Siebentens: wenn ich in Geſellſchaft ſoll vorleſen
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/170>, abgerufen am 28.12.2024.
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