Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

zeigt, daß Du Herz und Nieren genau prüfst, so wer-
den Dir Fischherzen auch interessant sein, und vielleicht
entdeckst Du, daß deine Charlotte das Herz eines Weis-
fisches hat; mit nächstem wo ich noch manches andre
übersende werd ich's mit schicken. Die Zeichnung achte
nicht gering, lernst Du den Mann einmal kennen, so
wirst Du sehen daß er seinem Spiegel Ehre macht.

Um wieder auf etwas bitteres zu kommen, die Me-
line mit den schönen Augenwimpern von der Du sag-
test sie gleiche einer Rose die der Thau eben aus tiefen
Schlaf geweckt, die heirathet einen Mann von dem die
allgemeine Sage geht er sei ein ganz vortrefflicher Mensch.
O wie ist das traurig, Sklave der Vortrefflichkeit sein,
da bringt man es nicht weiter wie Charlotte es gebracht
hat, man ketzert sich und andre mit der Tugend ab.
Verzeih nur daß ich immer wieder von deinem Buch
anfange ich sollte lieber schweigen, da ich nicht Geist ge-
nug habe es ganz zu fassen.

Seltsam ist es, daß während die Wirklichkeit mich
so gewaltig aufregt, schlägt mich die Dichtung so ge-
waltig nieder. Die schwarzen Augen die groß sind und
etwas weit offen, aber ganz erfüllt voll Freundlichkeit
wenn sie mich ansehen, der Mund von dessen Lippen
Lieder fließen, die ich schließen kann mit einem Siegel,

zeigt, daß Du Herz und Nieren genau prüfſt, ſo wer-
den Dir Fiſchherzen auch intereſſant ſein, und vielleicht
entdeckſt Du, daß deine Charlotte das Herz eines Weis-
fiſches hat; mit nächſtem wo ich noch manches andre
überſende werd ich's mit ſchicken. Die Zeichnung achte
nicht gering, lernſt Du den Mann einmal kennen, ſo
wirſt Du ſehen daß er ſeinem Spiegel Ehre macht.

Um wieder auf etwas bitteres zu kommen, die Me-
line mit den ſchönen Augenwimpern von der Du ſag-
teſt ſie gleiche einer Roſe die der Thau eben aus tiefen
Schlaf geweckt, die heirathet einen Mann von dem die
allgemeine Sage geht er ſei ein ganz vortrefflicher Menſch.
O wie iſt das traurig, Sklave der Vortrefflichkeit ſein,
da bringt man es nicht weiter wie Charlotte es gebracht
hat, man ketzert ſich und andre mit der Tugend ab.
Verzeih nur daß ich immer wieder von deinem Buch
anfange ich ſollte lieber ſchweigen, da ich nicht Geiſt ge-
nug habe es ganz zu faſſen.

Seltſam iſt es, daß während die Wirklichkeit mich
ſo gewaltig aufregt, ſchlägt mich die Dichtung ſo ge-
waltig nieder. Die ſchwarzen Augen die groß ſind und
etwas weit offen, aber ganz erfüllt voll Freundlichkeit
wenn ſie mich anſehen, der Mund von deſſen Lippen
Lieder fließen, die ich ſchließen kann mit einem Siegel,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0161" n="151"/>
zeigt, daß Du Herz und Nieren genau prüf&#x017F;t, &#x017F;o wer-<lb/>
den Dir Fi&#x017F;chherzen auch intere&#x017F;&#x017F;ant &#x017F;ein, und vielleicht<lb/>
entdeck&#x017F;t Du, daß deine Charlotte das Herz eines Weis-<lb/>
fi&#x017F;ches hat; mit näch&#x017F;tem wo ich noch manches andre<lb/>
über&#x017F;ende werd ich's mit &#x017F;chicken. Die Zeichnung achte<lb/>
nicht gering, lern&#x017F;t Du den Mann einmal kennen, &#x017F;o<lb/>
wir&#x017F;t Du &#x017F;ehen daß er &#x017F;einem Spiegel Ehre macht.</p><lb/>
          <p>Um wieder auf etwas bitteres zu kommen, die Me-<lb/>
line mit den &#x017F;chönen Augenwimpern von der Du &#x017F;ag-<lb/>
te&#x017F;t &#x017F;ie gleiche einer Ro&#x017F;e die der Thau eben aus tiefen<lb/>
Schlaf geweckt, die heirathet einen Mann von dem die<lb/>
allgemeine Sage geht er &#x017F;ei ein ganz vortrefflicher Men&#x017F;ch.<lb/>
O wie i&#x017F;t das traurig, Sklave der Vortrefflichkeit &#x017F;ein,<lb/>
da bringt man es nicht weiter wie Charlotte es gebracht<lb/>
hat, man ketzert &#x017F;ich und andre mit der Tugend ab.<lb/>
Verzeih nur daß ich immer wieder von deinem Buch<lb/>
anfange ich &#x017F;ollte lieber &#x017F;chweigen, da ich nicht Gei&#x017F;t ge-<lb/>
nug habe es ganz zu fa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Selt&#x017F;am i&#x017F;t es, daß während die Wirklichkeit mich<lb/>
&#x017F;o gewaltig aufregt, &#x017F;chlägt mich die Dichtung &#x017F;o ge-<lb/>
waltig nieder. Die &#x017F;chwarzen Augen die groß &#x017F;ind und<lb/>
etwas weit offen, aber ganz erfüllt voll Freundlichkeit<lb/>
wenn &#x017F;ie mich an&#x017F;ehen, der Mund von de&#x017F;&#x017F;en Lippen<lb/>
Lieder fließen, die ich &#x017F;chließen kann mit einem Siegel,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0161] zeigt, daß Du Herz und Nieren genau prüfſt, ſo wer- den Dir Fiſchherzen auch intereſſant ſein, und vielleicht entdeckſt Du, daß deine Charlotte das Herz eines Weis- fiſches hat; mit nächſtem wo ich noch manches andre überſende werd ich's mit ſchicken. Die Zeichnung achte nicht gering, lernſt Du den Mann einmal kennen, ſo wirſt Du ſehen daß er ſeinem Spiegel Ehre macht. Um wieder auf etwas bitteres zu kommen, die Me- line mit den ſchönen Augenwimpern von der Du ſag- teſt ſie gleiche einer Roſe die der Thau eben aus tiefen Schlaf geweckt, die heirathet einen Mann von dem die allgemeine Sage geht er ſei ein ganz vortrefflicher Menſch. O wie iſt das traurig, Sklave der Vortrefflichkeit ſein, da bringt man es nicht weiter wie Charlotte es gebracht hat, man ketzert ſich und andre mit der Tugend ab. Verzeih nur daß ich immer wieder von deinem Buch anfange ich ſollte lieber ſchweigen, da ich nicht Geiſt ge- nug habe es ganz zu faſſen. Seltſam iſt es, daß während die Wirklichkeit mich ſo gewaltig aufregt, ſchlägt mich die Dichtung ſo ge- waltig nieder. Die ſchwarzen Augen die groß ſind und etwas weit offen, aber ganz erfüllt voll Freundlichkeit wenn ſie mich anſehen, der Mund von deſſen Lippen Lieder fließen, die ich ſchließen kann mit einem Siegel,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/161
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/161>, abgerufen am 25.11.2024.