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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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habe jetzt noch obendrein gehäufte Correspondenzen mit
jungen Aufschößlingen der Kunst, einem jungen Bau-
meister in Köln, ein Musiker von 18 Jahren, der bei
Winter Composition studiert, reich an schönen Melo-
dieen, wie ein silberner Schwan, der in hellblauer Luft
mit ausgespannten Flügeln singt. Der Schwan hat
einen verflixt bairischen Namen, er heißt Lindpaintner,
doch sagt Winter, er wird diesen Namen zu Ehren brin-
gen. Ein junger Kupferstecher, der bei Heß in Mün-
chen studiert. Beiliegendes radirtes Blättchen ist von
ihm, es ist der erste Abdruck, noch verwischt und unzart,
auch ist das Ganze etwas düster und nach dem Urtheil
anderer zu alt, indessen scheint mir's nicht ganz ohne
Verdienst, er hat es ohne Zeichnung gleich nach der Na-
tur auf's Kupfer gearbeitet; wenn Dir's gefällt, so schick
ich ein reineres, besseres, mit mehr Sorgfalt gepackt,
das kannst Du an dein Bett an die Wand stecken. --
All diesen Menschen spreche ich nun in verschiedner Art
Trost zu, und ist mir eine angenehme Würde, als ihr
kleines Orakel von ihnen berathen zu werden, ich lehre
sie nun ihre fünf Sinne verstehen; wie das aller Dinge
Wesen in ihnen fliegt und kriecht, wie Duft der Lüfte,
wie Kraft der Erde, wie Drang der Wässer und Far-
ben des Feuers in ihnen leben und arbeiten, wie die

habe jetzt noch obendrein gehäufte Correſpondenzen mit
jungen Aufſchößlingen der Kunſt, einem jungen Bau-
meiſter in Köln, ein Muſiker von 18 Jahren, der bei
Winter Compoſition ſtudiert, reich an ſchönen Melo-
dieen, wie ein ſilberner Schwan, der in hellblauer Luft
mit ausgeſpannten Flügeln ſingt. Der Schwan hat
einen verflixt bairiſchen Namen, er heißt Lindpaintner,
doch ſagt Winter, er wird dieſen Namen zu Ehren brin-
gen. Ein junger Kupferſtecher, der bei Heß in Mün-
chen ſtudiert. Beiliegendes radirtes Blättchen iſt von
ihm, es iſt der erſte Abdruck, noch verwiſcht und unzart,
auch iſt das Ganze etwas düſter und nach dem Urtheil
anderer zu alt, indeſſen ſcheint mir's nicht ganz ohne
Verdienſt, er hat es ohne Zeichnung gleich nach der Na-
tur auf's Kupfer gearbeitet; wenn Dir's gefällt, ſo ſchick
ich ein reineres, beſſeres, mit mehr Sorgfalt gepackt,
das kannſt Du an dein Bett an die Wand ſtecken. —
All dieſen Menſchen ſpreche ich nun in verſchiedner Art
Troſt zu, und iſt mir eine angenehme Würde, als ihr
kleines Orakel von ihnen berathen zu werden, ich lehre
ſie nun ihre fünf Sinne verſtehen; wie das aller Dinge
Weſen in ihnen fliegt und kriecht, wie Duft der Lüfte,
wie Kraft der Erde, wie Drang der Wäſſer und Far-
ben des Feuers in ihnen leben und arbeiten, wie die

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[128/0138] habe jetzt noch obendrein gehäufte Correſpondenzen mit jungen Aufſchößlingen der Kunſt, einem jungen Bau- meiſter in Köln, ein Muſiker von 18 Jahren, der bei Winter Compoſition ſtudiert, reich an ſchönen Melo- dieen, wie ein ſilberner Schwan, der in hellblauer Luft mit ausgeſpannten Flügeln ſingt. Der Schwan hat einen verflixt bairiſchen Namen, er heißt Lindpaintner, doch ſagt Winter, er wird dieſen Namen zu Ehren brin- gen. Ein junger Kupferſtecher, der bei Heß in Mün- chen ſtudiert. Beiliegendes radirtes Blättchen iſt von ihm, es iſt der erſte Abdruck, noch verwiſcht und unzart, auch iſt das Ganze etwas düſter und nach dem Urtheil anderer zu alt, indeſſen ſcheint mir's nicht ganz ohne Verdienſt, er hat es ohne Zeichnung gleich nach der Na- tur auf's Kupfer gearbeitet; wenn Dir's gefällt, ſo ſchick ich ein reineres, beſſeres, mit mehr Sorgfalt gepackt, das kannſt Du an dein Bett an die Wand ſtecken. — All dieſen Menſchen ſpreche ich nun in verſchiedner Art Troſt zu, und iſt mir eine angenehme Würde, als ihr kleines Orakel von ihnen berathen zu werden, ich lehre ſie nun ihre fünf Sinne verſtehen; wie das aller Dinge Weſen in ihnen fliegt und kriecht, wie Duft der Lüfte, wie Kraft der Erde, wie Drang der Wäſſer und Far- ben des Feuers in ihnen leben und arbeiten, wie die

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/138>, abgerufen am 24.11.2024.