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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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kann froh sein, wenn die Kraft ausreicht, welche der
Geist dieser Musik fordert. Von höherer Macht fühlt
man sich als Organ benützt, Figur und Ton von Har-
monie umkreißt und bedingt auszusprechen. So ist
diese kunstgerechte, gewaltige Sprache idealischer Em-
pfindung, daß der Sänger nur Werkzeug, aber mit-
denkend, mitgenießend sich empfindet, und dann die
Recitative, das Ideal ästhetischer Erhabenheit, wo Alles,
sei es Schmerz oder Freude, ein tobend Element der
Wollust wird.

Wie lange haben wir nichts über Musik gespro-
chen, damals am Rhein, da war's als müsse ich Dir
den gordischen Knoten auflösen, und doch fühlte ich
meine Unzulänglichkeit, ich wußt nichts von ihr, wie
man auch vom Geliebten nichts weiß, als nur daß man
in ihn verliebt ist. Und jetzt bin ich erst gar in's Stok-
ken gerathen, alles möcht ich gern aussprechen, aber in
Worten zu denken was ich im Gefühl denke, das ist
schwer; -- ja, solltest Du's glauben? -- Gedanken ma-
chen mir Schmerzen, und so zaghaft bin ich, daß ich
ihnen ausweiche, und alles was in der Welt vorgeht,
das Geschick der Menschen und die tragische Auflösung
macht mir einen musikalischen Eindruck. Die Ereignisse
im Tyrol nehmen mich in sich auf wie der volle Strom

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kann froh ſein, wenn die Kraft ausreicht, welche der
Geiſt dieſer Muſik fordert. Von höherer Macht fühlt
man ſich als Organ benützt, Figur und Ton von Har-
monie umkreißt und bedingt auszuſprechen. So iſt
dieſe kunſtgerechte, gewaltige Sprache idealiſcher Em-
pfindung, daß der Sänger nur Werkzeug, aber mit-
denkend, mitgenießend ſich empfindet, und dann die
Recitative, das Ideal äſthetiſcher Erhabenheit, wo Alles,
ſei es Schmerz oder Freude, ein tobend Element der
Wolluſt wird.

Wie lange haben wir nichts über Muſik geſpro-
chen, damals am Rhein, da war's als müſſe ich Dir
den gordiſchen Knoten auflöſen, und doch fühlte ich
meine Unzulänglichkeit, ich wußt nichts von ihr, wie
man auch vom Geliebten nichts weiß, als nur daß man
in ihn verliebt iſt. Und jetzt bin ich erſt gar in's Stok-
ken gerathen, alles möcht ich gern ausſprechen, aber in
Worten zu denken was ich im Gefühl denke, das iſt
ſchwer; — ja, ſollteſt Du's glauben? — Gedanken ma-
chen mir Schmerzen, und ſo zaghaft bin ich, daß ich
ihnen ausweiche, und alles was in der Welt vorgeht,
das Geſchick der Menſchen und die tragiſche Auflöſung
macht mir einen muſikaliſchen Eindruck. Die Ereigniſſe
im Tyrol nehmen mich in ſich auf wie der volle Strom

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[101/0111] kann froh ſein, wenn die Kraft ausreicht, welche der Geiſt dieſer Muſik fordert. Von höherer Macht fühlt man ſich als Organ benützt, Figur und Ton von Har- monie umkreißt und bedingt auszuſprechen. So iſt dieſe kunſtgerechte, gewaltige Sprache idealiſcher Em- pfindung, daß der Sänger nur Werkzeug, aber mit- denkend, mitgenießend ſich empfindet, und dann die Recitative, das Ideal äſthetiſcher Erhabenheit, wo Alles, ſei es Schmerz oder Freude, ein tobend Element der Wolluſt wird. Wie lange haben wir nichts über Muſik geſpro- chen, damals am Rhein, da war's als müſſe ich Dir den gordiſchen Knoten auflöſen, und doch fühlte ich meine Unzulänglichkeit, ich wußt nichts von ihr, wie man auch vom Geliebten nichts weiß, als nur daß man in ihn verliebt iſt. Und jetzt bin ich erſt gar in's Stok- ken gerathen, alles möcht ich gern ausſprechen, aber in Worten zu denken was ich im Gefühl denke, das iſt ſchwer; — ja, ſollteſt Du's glauben? — Gedanken ma- chen mir Schmerzen, und ſo zaghaft bin ich, daß ich ihnen ausweiche, und alles was in der Welt vorgeht, das Geſchick der Menſchen und die tragiſche Auflöſung macht mir einen muſikaliſchen Eindruck. Die Ereigniſſe im Tyrol nehmen mich in ſich auf wie der volle Strom 5*

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/111>, abgerufen am 22.11.2024.