Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

beln ruht, auch so über den Nebeln der Zeit thront,
das lieber im Licht untergeht, als im Dunkeln ein un-
gewisses Fortkommen sucht. O Enthusiasmus des eig-
nen freien Willens! wie groß bist du, da du allen Ge-
nuß, der über ein ganzes Leben verbreitet ist, in einen
Augenblick zusammenfassest, darum so läßt sich um ei-
nen solchen Moment auch wohl das Leben wagen; mein
eigner Wille aber ist, Dich wieder zu sehen, und allen
Enthusiasmus der Liebe wird ein solcher Moment in
sich fassen, und darum begehre ich auch außer diesem
nichts mehr.

Von den Kuffsteiner Belagerungsgeschichten möchte
ich Dir manches erzählen was dem Dux gewiß Freude
machen würde, und was auch verdiente verewigt zu
werden; allein zu sehr wird eine ernste Theilnahme an
dem echten Heroismus mißhandelt durch Betrug aller
Art, und das macht auch daß man lieber gar nicht hin-
horcht, als daß man das Herz durch Lügen sich schwer
machen läßt. -- Das Gute, was die Baiern als wahr
passiren lassen, daran ist nicht zu zweifeln, denn wenn
sie es vermöchten, so würden sie gewiß das Gelingen
der Feinde läugnen. Speckbacher ist ein einziger Held,
Witz, Geist, kaltes Blut, strenger Ernst, unbegrenzte
Güte, durchsichtige, bedürfnißlose Natur; Gefahr ist ihm

beln ruht, auch ſo über den Nebeln der Zeit thront,
das lieber im Licht untergeht, als im Dunkeln ein un-
gewiſſes Fortkommen ſucht. O Enthuſiasmus des eig-
nen freien Willens! wie groß biſt du, da du allen Ge-
nuß, der über ein ganzes Leben verbreitet iſt, in einen
Augenblick zuſammenfaſſeſt, darum ſo läßt ſich um ei-
nen ſolchen Moment auch wohl das Leben wagen; mein
eigner Wille aber iſt, Dich wieder zu ſehen, und allen
Enthuſiasmus der Liebe wird ein ſolcher Moment in
ſich faſſen, und darum begehre ich auch außer dieſem
nichts mehr.

Von den Kuffſteiner Belagerungsgeſchichten möchte
ich Dir manches erzählen was dem Dux gewiß Freude
machen würde, und was auch verdiente verewigt zu
werden; allein zu ſehr wird eine ernſte Theilnahme an
dem echten Heroismus mißhandelt durch Betrug aller
Art, und das macht auch daß man lieber gar nicht hin-
horcht, als daß man das Herz durch Lügen ſich ſchwer
machen läßt. — Das Gute, was die Baiern als wahr
paſſiren laſſen, daran iſt nicht zu zweifeln, denn wenn
ſie es vermöchten, ſo würden ſie gewiß das Gelingen
der Feinde läugnen. Speckbacher iſt ein einziger Held,
Witz, Geiſt, kaltes Blut, ſtrenger Ernſt, unbegrenzte
Güte, durchſichtige, bedürfnißloſe Natur; Gefahr iſt ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="93"/>
beln ruht, auch &#x017F;o über den Nebeln der Zeit thront,<lb/>
das lieber im Licht untergeht, als im Dunkeln ein un-<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;es Fortkommen &#x017F;ucht. O Enthu&#x017F;iasmus des eig-<lb/>
nen freien Willens! wie groß bi&#x017F;t du, da du allen Ge-<lb/>
nuß, der über ein ganzes Leben verbreitet i&#x017F;t, in einen<lb/>
Augenblick zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, darum &#x017F;o läßt &#x017F;ich um ei-<lb/>
nen &#x017F;olchen Moment auch wohl das Leben wagen; mein<lb/>
eigner Wille aber i&#x017F;t, Dich wieder zu &#x017F;ehen, und allen<lb/>
Enthu&#x017F;iasmus der Liebe wird ein &#x017F;olcher Moment in<lb/>
&#x017F;ich fa&#x017F;&#x017F;en, und darum begehre ich auch außer die&#x017F;em<lb/>
nichts mehr.</p><lb/>
          <p>Von den Kuff&#x017F;teiner Belagerungsge&#x017F;chichten möchte<lb/>
ich Dir manches erzählen was dem Dux gewiß Freude<lb/>
machen würde, und was auch verdiente verewigt zu<lb/>
werden; allein zu &#x017F;ehr wird eine ern&#x017F;te Theilnahme an<lb/>
dem echten Heroismus mißhandelt durch Betrug aller<lb/>
Art, und das macht auch daß man lieber gar nicht hin-<lb/>
horcht, als daß man das Herz durch Lügen &#x017F;ich &#x017F;chwer<lb/>
machen läßt. &#x2014; Das Gute, was die Baiern als wahr<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;iren la&#x017F;&#x017F;en, daran i&#x017F;t nicht zu zweifeln, denn wenn<lb/>
&#x017F;ie es vermöchten, &#x017F;o würden &#x017F;ie gewiß das Gelingen<lb/>
der Feinde läugnen. Speckbacher i&#x017F;t ein einziger Held,<lb/>
Witz, Gei&#x017F;t, kaltes Blut, &#x017F;trenger Ern&#x017F;t, unbegrenzte<lb/>
Güte, durch&#x017F;ichtige, bedürfnißlo&#x017F;e Natur; Gefahr i&#x017F;t ihm<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0103] beln ruht, auch ſo über den Nebeln der Zeit thront, das lieber im Licht untergeht, als im Dunkeln ein un- gewiſſes Fortkommen ſucht. O Enthuſiasmus des eig- nen freien Willens! wie groß biſt du, da du allen Ge- nuß, der über ein ganzes Leben verbreitet iſt, in einen Augenblick zuſammenfaſſeſt, darum ſo läßt ſich um ei- nen ſolchen Moment auch wohl das Leben wagen; mein eigner Wille aber iſt, Dich wieder zu ſehen, und allen Enthuſiasmus der Liebe wird ein ſolcher Moment in ſich faſſen, und darum begehre ich auch außer dieſem nichts mehr. Von den Kuffſteiner Belagerungsgeſchichten möchte ich Dir manches erzählen was dem Dux gewiß Freude machen würde, und was auch verdiente verewigt zu werden; allein zu ſehr wird eine ernſte Theilnahme an dem echten Heroismus mißhandelt durch Betrug aller Art, und das macht auch daß man lieber gar nicht hin- horcht, als daß man das Herz durch Lügen ſich ſchwer machen läßt. — Das Gute, was die Baiern als wahr paſſiren laſſen, daran iſt nicht zu zweifeln, denn wenn ſie es vermöchten, ſo würden ſie gewiß das Gelingen der Feinde läugnen. Speckbacher iſt ein einziger Held, Witz, Geiſt, kaltes Blut, ſtrenger Ernſt, unbegrenzte Güte, durchſichtige, bedürfnißloſe Natur; Gefahr iſt ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/103
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/103>, abgerufen am 22.11.2024.