tausend Sterne leuchten so nicht in's irdische Dunkel wie Du leuchtest in mein Herz. Ach, ich sage Dir: ei- nen Augenblick in deiner Nähe zu sein hält so viel Ewigkeit in sich, daß ein solcher Augenblick der Ewig- keit gleichsam einen Streich spielt, indem er sie gefan- gen nimmt, zum Scherz nur, er entläßt sie wieder, um sie wieder zu fangen, und was sollte mir auch in Ewig- keit noch für Freude geschehen, da dein ewiger Geist, deine ewige Güte mich in ihre Herrlichkeit aufnehmen.
Geschrieben am Tag, da ich deinen letzten Brief empfangen.
Das Gedicht gehört der Welt, nicht mein, denn wollt ich es mein nennen, es würde mein Herz ver- zehren.
Ich bin zaghaft in der Liebe, ich zweifle jeden Au- genblick an Dir, sonst wär ich schon auf eine Zeit zu Dir gekommen; ich kann mir nicht denken (weil es zu viel ist) daß ich Dir werth genug bin, um bei Dir sein zu dürfen.
Weil ich Dich kenne, so fürchte ich den Tod, die Griechen wollten nicht sterben ohne Jupiter Olymp ge- sehen zu haben, wie viel weniger kann ich die schöne Welt verlassen wollen, da mir prophezeit ist von dei-
tauſend Sterne leuchten ſo nicht in's irdiſche Dunkel wie Du leuchteſt in mein Herz. Ach, ich ſage Dir: ei- nen Augenblick in deiner Nähe zu ſein hält ſo viel Ewigkeit in ſich, daß ein ſolcher Augenblick der Ewig- keit gleichſam einen Streich ſpielt, indem er ſie gefan- gen nimmt, zum Scherz nur, er entläßt ſie wieder, um ſie wieder zu fangen, und was ſollte mir auch in Ewig- keit noch für Freude geſchehen, da dein ewiger Geiſt, deine ewige Güte mich in ihre Herrlichkeit aufnehmen.
Geſchrieben am Tag, da ich deinen letzten Brief empfangen.
Das Gedicht gehört der Welt, nicht mein, denn wollt ich es mein nennen, es würde mein Herz ver- zehren.
Ich bin zaghaft in der Liebe, ich zweifle jeden Au- genblick an Dir, ſonſt wär ich ſchon auf eine Zeit zu Dir gekommen; ich kann mir nicht denken (weil es zu viel iſt) daß ich Dir werth genug bin, um bei Dir ſein zu dürfen.
Weil ich Dich kenne, ſo fürchte ich den Tod, die Griechen wollten nicht ſterben ohne Jupiter Olymp ge- ſehen zu haben, wie viel weniger kann ich die ſchöne Welt verlaſſen wollen, da mir prophezeit iſt von dei-
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tauſend Sterne leuchten ſo nicht in's irdiſche Dunkel
wie Du leuchteſt in mein Herz. Ach, ich ſage Dir: ei-
nen Augenblick in deiner Nähe zu ſein hält ſo viel
Ewigkeit in ſich, daß ein ſolcher Augenblick der Ewig-
keit gleichſam einen Streich ſpielt, indem er ſie gefan-
gen nimmt, zum Scherz nur, er entläßt ſie wieder, um
ſie wieder zu fangen, und was ſollte mir auch in Ewig-
keit noch für Freude geſchehen, da dein ewiger Geiſt,
deine ewige Güte mich in ihre Herrlichkeit aufnehmen.
Geſchrieben am Tag, da ich deinen letzten Brief
empfangen.
Das Gedicht gehört der Welt, nicht mein, denn
wollt ich es mein nennen, es würde mein Herz ver-
zehren.
Ich bin zaghaft in der Liebe, ich zweifle jeden Au-
genblick an Dir, ſonſt wär ich ſchon auf eine Zeit zu
Dir gekommen; ich kann mir nicht denken (weil es zu
viel iſt) daß ich Dir werth genug bin, um bei Dir ſein
zu dürfen.
Weil ich Dich kenne, ſo fürchte ich den Tod, die
Griechen wollten nicht ſterben ohne Jupiter Olymp ge-
ſehen zu haben, wie viel weniger kann ich die ſchöne
Welt verlaſſen wollen, da mir prophezeit iſt von dei-
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/101>, abgerufen am 24.11.2024.
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