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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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vorschwätzen. Gold und Silber macht mir den Eindruck
von etwas heiligem; ob dies daher kommt, weil ich im
Kloster immer die goldnen und silbernen Meßgeschirre,
und den Kelch gewaschen habe, den Weihrauchkessel ge-
putzt, und die Altarleuchter vom abträuflenden Wachs
gereinigt, alles mit einer Art Ehrfurcht berührt habe?
ich kann Ihr nur sagen, daß uns beim Betrachten die-
ses reichen und künstlichen Werkes eine feierliche Stim-
mung befiel.

Jetzt beschreib' ich Ihr aber noch etwas Schönes,
das gefällt mir in der Erinnerung noch besser, und die
Kunstkenner sagen auch es habe mehr Styl; das ist so
ein Wort, wenn ich frage was es bedeutet, sagt man:
Wissen Sie nicht was Styl ist? -- und damit muß ich
mich zufrieden geben, hierbei hab' ich's aber doch aus-
gedacht. Alles große Edle muß einen Grund haben
warum es edel ist: Wenn dieser Grund rein ohne Vor-
urtheil ohne Pfuscherei von Nebendingen und Absichten,
die einzige Basis des Kunstwerks ist: das ist der reine
Styl. Das Kunstwerk muß grade nur das ausdrücken,
was die Seele erhebt und edel ergötzt und nicht mehr.
Die Empfindung des Künstlers muß allein darauf ge-
richtet sein, das übrige ist falsch. In den kleinen Ge-
dichten vom Wolfgang ist die Empfindung aus einem

vorſchwätzen. Gold und Silber macht mir den Eindruck
von etwas heiligem; ob dies daher kommt, weil ich im
Kloſter immer die goldnen und ſilbernen Meßgeſchirre,
und den Kelch gewaſchen habe, den Weihrauchkeſſel ge-
putzt, und die Altarleuchter vom abträuflenden Wachs
gereinigt, alles mit einer Art Ehrfurcht berührt habe?
ich kann Ihr nur ſagen, daß uns beim Betrachten die-
ſes reichen und künſtlichen Werkes eine feierliche Stim-
mung befiel.

Jetzt beſchreib' ich Ihr aber noch etwas Schönes,
das gefällt mir in der Erinnerung noch beſſer, und die
Kunſtkenner ſagen auch es habe mehr Styl; das iſt ſo
ein Wort, wenn ich frage was es bedeutet, ſagt man:
Wiſſen Sie nicht was Styl iſt? — und damit muß ich
mich zufrieden geben, hierbei hab' ich's aber doch aus-
gedacht. Alles große Edle muß einen Grund haben
warum es edel iſt: Wenn dieſer Grund rein ohne Vor-
urtheil ohne Pfuſcherei von Nebendingen und Abſichten,
die einzige Baſis des Kunſtwerks iſt: das iſt der reine
Styl. Das Kunſtwerk muß grade nur das ausdrücken,
was die Seele erhebt und edel ergötzt und nicht mehr.
Die Empfindung des Künſtlers muß allein darauf ge-
richtet ſein, das übrige iſt falſch. In den kleinen Ge-
dichten vom Wolfgang iſt die Empfindung aus einem

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[62/0094] vorſchwätzen. Gold und Silber macht mir den Eindruck von etwas heiligem; ob dies daher kommt, weil ich im Kloſter immer die goldnen und ſilbernen Meßgeſchirre, und den Kelch gewaſchen habe, den Weihrauchkeſſel ge- putzt, und die Altarleuchter vom abträuflenden Wachs gereinigt, alles mit einer Art Ehrfurcht berührt habe? ich kann Ihr nur ſagen, daß uns beim Betrachten die- ſes reichen und künſtlichen Werkes eine feierliche Stim- mung befiel. Jetzt beſchreib' ich Ihr aber noch etwas Schönes, das gefällt mir in der Erinnerung noch beſſer, und die Kunſtkenner ſagen auch es habe mehr Styl; das iſt ſo ein Wort, wenn ich frage was es bedeutet, ſagt man: Wiſſen Sie nicht was Styl iſt? — und damit muß ich mich zufrieden geben, hierbei hab' ich's aber doch aus- gedacht. Alles große Edle muß einen Grund haben warum es edel iſt: Wenn dieſer Grund rein ohne Vor- urtheil ohne Pfuſcherei von Nebendingen und Abſichten, die einzige Baſis des Kunſtwerks iſt: das iſt der reine Styl. Das Kunſtwerk muß grade nur das ausdrücken, was die Seele erhebt und edel ergötzt und nicht mehr. Die Empfindung des Künſtlers muß allein darauf ge- richtet ſein, das übrige iſt falſch. In den kleinen Ge- dichten vom Wolfgang iſt die Empfindung aus einem

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/94>, abgerufen am 22.11.2024.