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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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wieder naß sein; ich muß mich besinnen wie ich Ihr
das wunderliche Erdloch beschreibe, wo unter dunklen
gewaltigen Eichen die Gluth hervorleuchtet, wo an den
Bergwänden hinan einzelne Hütten hängen und wo
im Dunkel die einzelnen Lichter herüberleuchten, und
der lange Abend durch eine ferne Schalmei die immer
dasselbe Stückchen hören läßt, recht an den Tag giebt
daß die Einsamkeit hier zu Haus' ist, die durch keine
Geselligkeit unterbrochen wird. Warum ist denn der
Ton einer einsamen Hausflöte die so vor sich hinbläst,
so melancholisch langweilig daß einem das Herz zer-
springen möcht' vor Grimm, daß man nicht weiß wo
aus noch ein; ach wie gern möcht' man da das Erden-
kleid abstreifen und hochfliegen weit in die Lüfte; ja,
so eine Schwalbe in den Lüften, die mit ihren Flügeln
wie mit einem scharfen Bogen den Äther durchschneidet,
die hebt sich weit über die Sclavenkette der Gedanken,
in's Unendliche, das der Gedanke nicht faßt. --

Wir wurden in gewaltig große Betten logirt, ich
und der Bruder Franz, ich hab' viel mit ihm ge-
scherzt und geplaudert, er ist mein liebster Bruder.
Am Morgen sagte er ganz mystisch: geb' einmal
acht, der Herr vom Eisenhammer hat ein Hochgericht
im Ohr; ich konnt's nicht errathen; wie sich aber

wieder naß ſein; ich muß mich beſinnen wie ich Ihr
das wunderliche Erdloch beſchreibe, wo unter dunklen
gewaltigen Eichen die Gluth hervorleuchtet, wo an den
Bergwänden hinan einzelne Hütten hängen und wo
im Dunkel die einzelnen Lichter herüberleuchten, und
der lange Abend durch eine ferne Schalmei die immer
daſſelbe Stückchen hören läßt, recht an den Tag giebt
daß die Einſamkeit hier zu Hauſ' iſt, die durch keine
Geſelligkeit unterbrochen wird. Warum iſt denn der
Ton einer einſamen Hausflöte die ſo vor ſich hinbläſt,
ſo melancholiſch langweilig daß einem das Herz zer-
ſpringen möcht' vor Grimm, daß man nicht weiß wo
aus noch ein; ach wie gern möcht' man da das Erden-
kleid abſtreifen und hochfliegen weit in die Lüfte; ja,
ſo eine Schwalbe in den Lüften, die mit ihren Flügeln
wie mit einem ſcharfen Bogen den Äther durchſchneidet,
die hebt ſich weit über die Sclavenkette der Gedanken,
in's Unendliche, das der Gedanke nicht faßt. —

Wir wurden in gewaltig große Betten logirt, ich
und der Bruder Franz, ich hab' viel mit ihm ge-
ſcherzt und geplaudert, er iſt mein liebſter Bruder.
Am Morgen ſagte er ganz myſtiſch: geb' einmal
acht, der Herr vom Eiſenhammer hat ein Hochgericht
im Ohr; ich konnt's nicht errathen; wie ſich aber

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[36/0068] wieder naß ſein; ich muß mich beſinnen wie ich Ihr das wunderliche Erdloch beſchreibe, wo unter dunklen gewaltigen Eichen die Gluth hervorleuchtet, wo an den Bergwänden hinan einzelne Hütten hängen und wo im Dunkel die einzelnen Lichter herüberleuchten, und der lange Abend durch eine ferne Schalmei die immer daſſelbe Stückchen hören läßt, recht an den Tag giebt daß die Einſamkeit hier zu Hauſ' iſt, die durch keine Geſelligkeit unterbrochen wird. Warum iſt denn der Ton einer einſamen Hausflöte die ſo vor ſich hinbläſt, ſo melancholiſch langweilig daß einem das Herz zer- ſpringen möcht' vor Grimm, daß man nicht weiß wo aus noch ein; ach wie gern möcht' man da das Erden- kleid abſtreifen und hochfliegen weit in die Lüfte; ja, ſo eine Schwalbe in den Lüften, die mit ihren Flügeln wie mit einem ſcharfen Bogen den Äther durchſchneidet, die hebt ſich weit über die Sclavenkette der Gedanken, in's Unendliche, das der Gedanke nicht faßt. — Wir wurden in gewaltig große Betten logirt, ich und der Bruder Franz, ich hab' viel mit ihm ge- ſcherzt und geplaudert, er iſt mein liebſter Bruder. Am Morgen ſagte er ganz myſtiſch: geb' einmal acht, der Herr vom Eiſenhammer hat ein Hochgericht im Ohr; ich konnt's nicht errathen; wie ſich aber

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/68>, abgerufen am 24.11.2024.