mächern im Saal zusammen. Es ist ein besondres Plaisir zu sehen wie einer nach dem andern griechisch drappirt hervorkommt. Der Tag geht vorüber in lau- nigem Geschwätz, dazwischen kommen Bruchstücke von Gesang und Harpegge auf der Guitarre. Am Abend spazieren wir an den Ufern des Rheins entlang, da lagern wir uns auf dem Zimmerplatz; ich lese den Ho- mer vor, die Bauern kommen alle heran und hören zu; der Mond steigt zwischen den Bergen herauf und leuch- tet statt der Sonne. In der Ferne liegt das schwarze Schiff, da brennt ein Feuer, der kleine Spitzhund auf dem Verdeck schlägt von Zeit zu Zeit an. Wenn wir das Buch zu machen, so ist ein wahres politischer Ver- handeln; die Götter gelten nicht mehr und nicht weni- ger als andre Staatsmächte, und die Meinungen wer- den so hitzig behauptet, daß man denken sollte, alles wär' gestern geschehen, und es wär' manches noch zu ändern. Einen Vortheil hab' ich davon: hätt' ich den Bauern nicht den Homer vorgelesen, so wüßte ich heut' noch nicht was drinn steht, die haben mir's durch ihre Bemerkungen und Fragen erst beigebracht. -- Wenn wir nach Hause kommen, so steigt einer nach dem an- dern wenn er müde ist, zu Bette. Ich sitze dann noch am Klavier, und da fallen mir Melodien ein, auf denen
mächern im Saal zuſammen. Es iſt ein beſondres Plaiſir zu ſehen wie einer nach dem andern griechiſch drappirt hervorkommt. Der Tag geht vorüber in lau- nigem Geſchwätz, dazwiſchen kommen Bruchſtücke von Geſang und Harpegge auf der Guitarre. Am Abend ſpazieren wir an den Ufern des Rheins entlang, da lagern wir uns auf dem Zimmerplatz; ich leſe den Ho- mer vor, die Bauern kommen alle heran und hören zu; der Mond ſteigt zwiſchen den Bergen herauf und leuch- tet ſtatt der Sonne. In der Ferne liegt das ſchwarze Schiff, da brennt ein Feuer, der kleine Spitzhund auf dem Verdeck ſchlägt von Zeit zu Zeit an. Wenn wir das Buch zu machen, ſo iſt ein wahres politiſcher Ver- handeln; die Götter gelten nicht mehr und nicht weni- ger als andre Staatsmächte, und die Meinungen wer- den ſo hitzig behauptet, daß man denken ſollte, alles wär' geſtern geſchehen, und es wär' manches noch zu ändern. Einen Vortheil hab' ich davon: hätt' ich den Bauern nicht den Homer vorgeleſen, ſo wüßte ich heut' noch nicht was drinn ſteht, die haben mir's durch ihre Bemerkungen und Fragen erſt beigebracht. — Wenn wir nach Hauſe kommen, ſo ſteigt einer nach dem an- dern wenn er müde iſt, zu Bette. Ich ſitze dann noch am Klavier, und da fallen mir Melodien ein, auf denen
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[29/0061]
mächern im Saal zuſammen. Es iſt ein beſondres
Plaiſir zu ſehen wie einer nach dem andern griechiſch
drappirt hervorkommt. Der Tag geht vorüber in lau-
nigem Geſchwätz, dazwiſchen kommen Bruchſtücke von
Geſang und Harpegge auf der Guitarre. Am Abend
ſpazieren wir an den Ufern des Rheins entlang, da
lagern wir uns auf dem Zimmerplatz; ich leſe den Ho-
mer vor, die Bauern kommen alle heran und hören zu;
der Mond ſteigt zwiſchen den Bergen herauf und leuch-
tet ſtatt der Sonne. In der Ferne liegt das ſchwarze
Schiff, da brennt ein Feuer, der kleine Spitzhund auf
dem Verdeck ſchlägt von Zeit zu Zeit an. Wenn wir
das Buch zu machen, ſo iſt ein wahres politiſcher Ver-
handeln; die Götter gelten nicht mehr und nicht weni-
ger als andre Staatsmächte, und die Meinungen wer-
den ſo hitzig behauptet, daß man denken ſollte, alles
wär' geſtern geſchehen, und es wär' manches noch zu
ändern. Einen Vortheil hab' ich davon: hätt' ich den
Bauern nicht den Homer vorgeleſen, ſo wüßte ich heut'
noch nicht was drinn ſteht, die haben mir's durch ihre
Bemerkungen und Fragen erſt beigebracht. — Wenn
wir nach Hauſe kommen, ſo ſteigt einer nach dem an-
dern wenn er müde iſt, zu Bette. Ich ſitze dann noch
am Klavier, und da fallen mir Melodien ein, auf denen
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/61>, abgerufen am 22.11.2024.
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