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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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vom Bock und legte sich am flachen Mainufer in ro-
mantischer Unordnung grade vor das Mondantlitz in
Ohnmacht; zwei Schachteln mit Blonden und Bändern
flogen etwas weiter und schwammen ganz anständig den
Main hinab; ich lief nach, immer im Wasser, das jetzt
bei der großen Hitze sehr flach ist, alles rief mir nach ob
ich toll sei, -- ich hörte nicht, und ich glaub' ich wär'
in Frankfurt wieder mit sammt den Schachteln ange-
schwommen, wenn nicht ein Nachen hervorgeragt hätte
an dem sie Halt machten. Ich packte sie unter beide
Ärme und spazierte in den klaren Wellen wieder
zurück. Der Bruder Franz sagte: Du bist unsinnig
Mädchen, und wollte mit seiner sanften Stimme im-
mer zanken; ich zog die nassen Kleider aus, wurde in
einen weichen Mantel gewickelt und in den zugemach-
ten Wagen gepackt. --

In Aschaffenburg legte man mich mit Gewalt ins
Bett und kochte mir Kamillenthee. Um ihn nicht zu
trinken, that ich, als ob ich fest schlafe. Da wurde
von meinen Verdiensten verhandelt, wie ich doch gar
ein zu gutes Herz habe, daß ich voll Gefälligkeit sei
und mich selber nie bedenke, wie ich gleich den Schach-
teln nachgeschwommen und wenn ich die nicht wieder-
gefischt hätte, so würde man morgen nicht haben mit

vom Bock und legte ſich am flachen Mainufer in ro-
mantiſcher Unordnung grade vor das Mondantlitz in
Ohnmacht; zwei Schachteln mit Blonden und Bändern
flogen etwas weiter und ſchwammen ganz anſtändig den
Main hinab; ich lief nach, immer im Waſſer, das jetzt
bei der großen Hitze ſehr flach iſt, alles rief mir nach ob
ich toll ſei, — ich hörte nicht, und ich glaub' ich wär'
in Frankfurt wieder mit ſammt den Schachteln ange-
ſchwommen, wenn nicht ein Nachen hervorgeragt hätte
an dem ſie Halt machten. Ich packte ſie unter beide
Ärme und ſpazierte in den klaren Wellen wieder
zurück. Der Bruder Franz ſagte: Du biſt unſinnig
Mädchen, und wollte mit ſeiner ſanften Stimme im-
mer zanken; ich zog die naſſen Kleider aus, wurde in
einen weichen Mantel gewickelt und in den zugemach-
ten Wagen gepackt. —

In Aſchaffenburg legte man mich mit Gewalt ins
Bett und kochte mir Kamillenthee. Um ihn nicht zu
trinken, that ich, als ob ich feſt ſchlafe. Da wurde
von meinen Verdienſten verhandelt, wie ich doch gar
ein zu gutes Herz habe, daß ich voll Gefälligkeit ſei
und mich ſelber nie bedenke, wie ich gleich den Schach-
teln nachgeſchwommen und wenn ich die nicht wieder-
gefiſcht hätte, ſo würde man morgen nicht haben mit

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[14/0046] vom Bock und legte ſich am flachen Mainufer in ro- mantiſcher Unordnung grade vor das Mondantlitz in Ohnmacht; zwei Schachteln mit Blonden und Bändern flogen etwas weiter und ſchwammen ganz anſtändig den Main hinab; ich lief nach, immer im Waſſer, das jetzt bei der großen Hitze ſehr flach iſt, alles rief mir nach ob ich toll ſei, — ich hörte nicht, und ich glaub' ich wär' in Frankfurt wieder mit ſammt den Schachteln ange- ſchwommen, wenn nicht ein Nachen hervorgeragt hätte an dem ſie Halt machten. Ich packte ſie unter beide Ärme und ſpazierte in den klaren Wellen wieder zurück. Der Bruder Franz ſagte: Du biſt unſinnig Mädchen, und wollte mit ſeiner ſanften Stimme im- mer zanken; ich zog die naſſen Kleider aus, wurde in einen weichen Mantel gewickelt und in den zugemach- ten Wagen gepackt. — In Aſchaffenburg legte man mich mit Gewalt ins Bett und kochte mir Kamillenthee. Um ihn nicht zu trinken, that ich, als ob ich feſt ſchlafe. Da wurde von meinen Verdienſten verhandelt, wie ich doch gar ein zu gutes Herz habe, daß ich voll Gefälligkeit ſei und mich ſelber nie bedenke, wie ich gleich den Schach- teln nachgeſchwommen und wenn ich die nicht wieder- gefiſcht hätte, ſo würde man morgen nicht haben mit

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/46>, abgerufen am 21.11.2024.