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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Stille. Zum wenigsten ich könnte nicht laut werden
auf diesem heiligen Hausflur. Alles ist freundlich und
doch feierlich. In den Zimmern ist die höchste Einfach-
heit zu Hause, ach so einladend! Fürchte Dich nicht:
sagten mir die bescheidnen Wände, er wird kommen
und wird sein, und nicht mehr sein wollen wie
Du, -- und da ging die Thür auf und da stand er
feierlich ernst, und sah mich unverwandten Blickes an;
ich streckte die Hände nach ihm, glaub' ich, -- bald
wußt' ich nichts mehr, Goethe fing mich rasch auf
an sein Herz. Armes Kind, hab' ich Sie er-
schreckt
, das waren die ersten Worte, mit denen
seine Stimme mir in's Herz drang; er führte mich in
sein Zimmer und setzte mich auf den Sopha gegen sich
über. Da waren wir beide stumm, endlich unterbrach
er das Schweigen: Sie haben wohl in der Zeitung
gelesen daß wir einen großen Verlust vor wenig Ta-
gen erlitten haben durch den Tod der Herzogin Amalie.
Ach! sagt' ich, ich lese die Zeitung nicht. -- So! --
ich habe geglaubt, alles interessire Sie, was in Wei-
mar vorgehe. -- Nein, nichts interessirt mich als nur
Sie, und da bin ich viel zu ungeduldig, in der Zeitung
zu blättern. -- Sie sind ein freundliches Kind. --
Lange Pause -- ich auf das fatale Sopha gebannt,

Stille. Zum wenigſten ich könnte nicht laut werden
auf dieſem heiligen Hausflur. Alles iſt freundlich und
doch feierlich. In den Zimmern iſt die höchſte Einfach-
heit zu Hauſe, ach ſo einladend! Fürchte Dich nicht:
ſagten mir die beſcheidnen Wände, er wird kommen
und wird ſein, und nicht mehr ſein wollen wie
Du, — und da ging die Thür auf und da ſtand er
feierlich ernſt, und ſah mich unverwandten Blickes an;
ich ſtreckte die Hände nach ihm, glaub' ich, — bald
wußt' ich nichts mehr, Goethe fing mich raſch auf
an ſein Herz. Armes Kind, hab' ich Sie er-
ſchreckt
, das waren die erſten Worte, mit denen
ſeine Stimme mir in's Herz drang; er führte mich in
ſein Zimmer und ſetzte mich auf den Sopha gegen ſich
über. Da waren wir beide ſtumm, endlich unterbrach
er das Schweigen: Sie haben wohl in der Zeitung
geleſen daß wir einen großen Verluſt vor wenig Ta-
gen erlitten haben durch den Tod der Herzogin Amalie.
Ach! ſagt' ich, ich leſe die Zeitung nicht. — So! —
ich habe geglaubt, alles intereſſire Sie, was in Wei-
mar vorgehe. — Nein, nichts intereſſirt mich als nur
Sie, und da bin ich viel zu ungeduldig, in der Zeitung
zu blättern. — Sie ſind ein freundliches Kind. —
Lange Pauſe — ich auf das fatale Sopha gebannt,

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[10/0042] Stille. Zum wenigſten ich könnte nicht laut werden auf dieſem heiligen Hausflur. Alles iſt freundlich und doch feierlich. In den Zimmern iſt die höchſte Einfach- heit zu Hauſe, ach ſo einladend! Fürchte Dich nicht: ſagten mir die beſcheidnen Wände, er wird kommen und wird ſein, und nicht mehr ſein wollen wie Du, — und da ging die Thür auf und da ſtand er feierlich ernſt, und ſah mich unverwandten Blickes an; ich ſtreckte die Hände nach ihm, glaub' ich, — bald wußt' ich nichts mehr, Goethe fing mich raſch auf an ſein Herz. Armes Kind, hab' ich Sie er- ſchreckt, das waren die erſten Worte, mit denen ſeine Stimme mir in's Herz drang; er führte mich in ſein Zimmer und ſetzte mich auf den Sopha gegen ſich über. Da waren wir beide ſtumm, endlich unterbrach er das Schweigen: Sie haben wohl in der Zeitung geleſen daß wir einen großen Verluſt vor wenig Ta- gen erlitten haben durch den Tod der Herzogin Amalie. Ach! ſagt' ich, ich leſe die Zeitung nicht. — So! — ich habe geglaubt, alles intereſſire Sie, was in Wei- mar vorgehe. — Nein, nichts intereſſirt mich als nur Sie, und da bin ich viel zu ungeduldig, in der Zeitung zu blättern. — Sie ſind ein freundliches Kind. — Lange Pauſe — ich auf das fatale Sopha gebannt,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/42>, abgerufen am 21.11.2024.