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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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backenden Brode lagen; ihr Gewand bestand auch aus
einem Hemd, und aus einer Schürze, die sie um den
Kopf befestigt hatte, um die Haare vor dem Verbren-
nen zu bewahren, wenn sie in den Ofen guckte und die
Reiser anlegte. Wir gaben der Frau ein Geldstück;
sie frug, wie viel es wär; da sahen wir, daß es nicht
in unserer Macht war, sie zu beschenken, denn sie war
zufrieden und wußte nicht, daß man mehr brauchen
könne, als man bedürfe.

Ich marschirte also wieder links um, ohne auszu-
ruhen und kam Nachts um ein Uhr zu Hause an; in
allem war ich zwölf Stunden unterwegs gewesen und
durchaus nicht ermüdet. Ich stieg in ein Bad das mir
bereitet war, und setzte eine Flasche Rheinwein an, und
ließ es so lange herunterglucken, bis ich den Boden sah.
Die Zofe schrie, und dachte es könne mir schaden im
heißen Bad, allein ich ließ mir nicht wehren; sie mußte
mich ins Bett tragen; ich schlief sanft, bis ich am Mor-
gen durch ein wohlbekanntes Krähen und Nachahmen
eines ganzen Hühnerhofs vor meiner Thür geweckt wurde.

Du schreibst: meine Briefe versetzen Dich in eine
bekannte Gegend, in der Du Dich heimathlich fühlst;
versetzen sie Dich denn auch zu mir? -- siehst Du mich
in Gedanken wie ich mit langem Hakenstock auf die

backenden Brode lagen; ihr Gewand beſtand auch aus
einem Hemd, und aus einer Schürze, die ſie um den
Kopf befeſtigt hatte, um die Haare vor dem Verbren-
nen zu bewahren, wenn ſie in den Ofen guckte und die
Reiſer anlegte. Wir gaben der Frau ein Geldſtück;
ſie frug, wie viel es wär; da ſahen wir, daß es nicht
in unſerer Macht war, ſie zu beſchenken, denn ſie war
zufrieden und wußte nicht, daß man mehr brauchen
könne, als man bedürfe.

Ich marſchirte alſo wieder links um, ohne auszu-
ruhen und kam Nachts um ein Uhr zu Hauſe an; in
allem war ich zwölf Stunden unterwegs geweſen und
durchaus nicht ermüdet. Ich ſtieg in ein Bad das mir
bereitet war, und ſetzte eine Flaſche Rheinwein an, und
ließ es ſo lange herunterglucken, bis ich den Boden ſah.
Die Zofe ſchrie, und dachte es könne mir ſchaden im
heißen Bad, allein ich ließ mir nicht wehren; ſie mußte
mich ins Bett tragen; ich ſchlief ſanft, bis ich am Mor-
gen durch ein wohlbekanntes Krähen und Nachahmen
eines ganzen Hühnerhofs vor meiner Thür geweckt wurde.

Du ſchreibſt: meine Briefe verſetzen Dich in eine
bekannte Gegend, in der Du Dich heimathlich fühlſt;
verſetzen ſie Dich denn auch zu mir? — ſiehſt Du mich
in Gedanken wie ich mit langem Hakenſtock auf die

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[333/0365] backenden Brode lagen; ihr Gewand beſtand auch aus einem Hemd, und aus einer Schürze, die ſie um den Kopf befeſtigt hatte, um die Haare vor dem Verbren- nen zu bewahren, wenn ſie in den Ofen guckte und die Reiſer anlegte. Wir gaben der Frau ein Geldſtück; ſie frug, wie viel es wär; da ſahen wir, daß es nicht in unſerer Macht war, ſie zu beſchenken, denn ſie war zufrieden und wußte nicht, daß man mehr brauchen könne, als man bedürfe. Ich marſchirte alſo wieder links um, ohne auszu- ruhen und kam Nachts um ein Uhr zu Hauſe an; in allem war ich zwölf Stunden unterwegs geweſen und durchaus nicht ermüdet. Ich ſtieg in ein Bad das mir bereitet war, und ſetzte eine Flaſche Rheinwein an, und ließ es ſo lange herunterglucken, bis ich den Boden ſah. Die Zofe ſchrie, und dachte es könne mir ſchaden im heißen Bad, allein ich ließ mir nicht wehren; ſie mußte mich ins Bett tragen; ich ſchlief ſanft, bis ich am Mor- gen durch ein wohlbekanntes Krähen und Nachahmen eines ganzen Hühnerhofs vor meiner Thür geweckt wurde. Du ſchreibſt: meine Briefe verſetzen Dich in eine bekannte Gegend, in der Du Dich heimathlich fühlſt; verſetzen ſie Dich denn auch zu mir? — ſiehſt Du mich in Gedanken wie ich mit langem Hakenſtock auf die

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/365>, abgerufen am 22.11.2024.