ihren nicht wohlgebildeten Lippen kam, überfiel mich ein innerlicher Grimm; sie erzählte mir, daß Du sie Amie in deinen Briefen nenntest; ach, sie hat mir's gewiß angesehen, daß dies mir sehr unerwartet kam; ach, sie sagte noch mehr. -- Nun riß mir aber die Ge- duld; -- wie kannst Du einem so unangenehmen Ge- sicht freundlich sein? -- Ach, da sieht man, daß Du eitel bist. -- Oder sie hat auch wohl nur gelogen! -- Wär' ich bei Dir, ich litt's nicht. So wie Feen mit feurigen Drachen, würd' ich mit Blicken meinen Schatz bewachen. Nun sitz' ich weit entfernt von Dir, weiß nicht was Du alles treibst, und bin nur froh, wenn mich keine Gedanken plagen.
Ich könnte Dir ein Buch schreiben über alles was ich in den acht Tagen mit der Mutter verhandelt und erlebt habe. Sie konnte kaum erwarten, daß ich kam, um alles mit ihr zu recapituliren. Da gab's Vorwürfe; ich war empfindlich, daß sie auf ihre Bekanntschaft mit der Stael einen so großen Werth legte; sie nannte mich kindisch und albern und eingebildet, und was zu schätzen sei, dem müsse man die Achtung nicht versagen, und man könne über eine solche Frau nicht wie über eine Gosse springen und weiter laufen; es sei allemal eine ausgezeichnete Ehre vom Schicksal, sich mit einem be-
ihren nicht wohlgebildeten Lippen kam, überfiel mich ein innerlicher Grimm; ſie erzählte mir, daß Du ſie Amie in deinen Briefen nennteſt; ach, ſie hat mir's gewiß angeſehen, daß dies mir ſehr unerwartet kam; ach, ſie ſagte noch mehr. — Nun riß mir aber die Ge- duld; — wie kannſt Du einem ſo unangenehmen Ge- ſicht freundlich ſein? — Ach, da ſieht man, daß Du eitel biſt. — Oder ſie hat auch wohl nur gelogen! — Wär' ich bei Dir, ich litt's nicht. So wie Feen mit feurigen Drachen, würd' ich mit Blicken meinen Schatz bewachen. Nun ſitz' ich weit entfernt von Dir, weiß nicht was Du alles treibſt, und bin nur froh, wenn mich keine Gedanken plagen.
Ich könnte Dir ein Buch ſchreiben über alles was ich in den acht Tagen mit der Mutter verhandelt und erlebt habe. Sie konnte kaum erwarten, daß ich kam, um alles mit ihr zu recapituliren. Da gab's Vorwürfe; ich war empfindlich, daß ſie auf ihre Bekanntſchaft mit der Staël einen ſo großen Werth legte; ſie nannte mich kindiſch und albern und eingebildet, und was zu ſchätzen ſei, dem müſſe man die Achtung nicht verſagen, und man könne über eine ſolche Frau nicht wie über eine Goſſe ſpringen und weiter laufen; es ſei allemal eine ausgezeichnete Ehre vom Schickſal, ſich mit einem be-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0350"n="318"/>
ihren nicht wohlgebildeten Lippen kam, überfiel mich<lb/>
ein innerlicher Grimm; ſie erzählte mir, daß Du ſie<lb/>
Amie in deinen Briefen nennteſt; ach, ſie hat mir's<lb/>
gewiß angeſehen, daß dies mir ſehr unerwartet kam;<lb/>
ach, ſie ſagte noch mehr. — Nun riß mir aber die Ge-<lb/>
duld; — wie kannſt Du einem ſo unangenehmen Ge-<lb/>ſicht freundlich ſein? — Ach, da ſieht man, daß Du<lb/>
eitel biſt. — Oder ſie hat auch wohl nur gelogen! —<lb/>
Wär' ich bei Dir, ich litt's nicht. So wie Feen mit<lb/>
feurigen Drachen, würd' ich mit Blicken meinen Schatz<lb/>
bewachen. Nun ſitz' ich weit entfernt von Dir, weiß<lb/>
nicht was Du alles treibſt, und bin nur froh, wenn<lb/>
mich keine Gedanken plagen.</p><lb/><p>Ich könnte Dir ein Buch ſchreiben über alles was<lb/>
ich in den acht Tagen mit der Mutter verhandelt und<lb/>
erlebt habe. Sie konnte kaum erwarten, daß ich kam,<lb/>
um alles mit ihr zu recapituliren. Da gab's Vorwürfe;<lb/>
ich war empfindlich, daß ſie auf ihre Bekanntſchaft mit<lb/>
der Sta<hirendition="#aq">ë</hi>l einen ſo großen Werth legte; ſie nannte mich<lb/>
kindiſch und albern und eingebildet, und was zu ſchätzen<lb/>ſei, dem müſſe man die Achtung nicht verſagen, und<lb/>
man könne über eine ſolche Frau nicht wie über eine<lb/>
Goſſe ſpringen und weiter laufen; es ſei allemal eine<lb/>
ausgezeichnete Ehre vom Schickſal, ſich mit einem be-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[318/0350]
ihren nicht wohlgebildeten Lippen kam, überfiel mich
ein innerlicher Grimm; ſie erzählte mir, daß Du ſie
Amie in deinen Briefen nennteſt; ach, ſie hat mir's
gewiß angeſehen, daß dies mir ſehr unerwartet kam;
ach, ſie ſagte noch mehr. — Nun riß mir aber die Ge-
duld; — wie kannſt Du einem ſo unangenehmen Ge-
ſicht freundlich ſein? — Ach, da ſieht man, daß Du
eitel biſt. — Oder ſie hat auch wohl nur gelogen! —
Wär' ich bei Dir, ich litt's nicht. So wie Feen mit
feurigen Drachen, würd' ich mit Blicken meinen Schatz
bewachen. Nun ſitz' ich weit entfernt von Dir, weiß
nicht was Du alles treibſt, und bin nur froh, wenn
mich keine Gedanken plagen.
Ich könnte Dir ein Buch ſchreiben über alles was
ich in den acht Tagen mit der Mutter verhandelt und
erlebt habe. Sie konnte kaum erwarten, daß ich kam,
um alles mit ihr zu recapituliren. Da gab's Vorwürfe;
ich war empfindlich, daß ſie auf ihre Bekanntſchaft mit
der Staël einen ſo großen Werth legte; ſie nannte mich
kindiſch und albern und eingebildet, und was zu ſchätzen
ſei, dem müſſe man die Achtung nicht verſagen, und
man könne über eine ſolche Frau nicht wie über eine
Goſſe ſpringen und weiter laufen; es ſei allemal eine
ausgezeichnete Ehre vom Schickſal, ſich mit einem be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/350>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.