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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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ab, der mich dort schon an vierzehn Tagen erwartete,
und doch möcht' ich Dich über diesen schmälen. Du bist
ein coquetter, zierlicher Schreiber, aber Du bist ein har-
ter Mann; die ganze schöne Natur, die herrliche Ge-
gend, die warmen Sommertage der Erinnerung, -- das
alles rührt Dich nicht; so fre[u]ndlich Du bist, so kalt bist
Du auch. Wie ich das große Papierformat sah, auf
allen vier Seiten beschrieben, da dacht' ich, es würde
doch hier und da durchblitzen daß Du mich liebst; es
blitzt auch, aber nur von Flittern, nicht von leisem, be-
glückendem Feuer. O, welcher gewaltige Abstand mag
sein zwischen jener Correspondence, die der Primas nicht
heraus geben will, und unserm Briefwechsel; das kommt
daher weil ich Dich zu sehr liebe und es Dir auch be-
kenne, das soll eine so närrische Eigenheit der Männer
sein, daß sie dann kalt sind, wenn man sie zu sehr
liebt.

Die Mutter ist nun immer gar zu vergnügt und
freundlich, wenn ich von meinen Streifereien komme;
sie hört mit Lust alle kleine Abentheuer an, ich mache
denn nicht selten aus Klein, Groß, und diesmal war ich
reichlich damit versehen, da nicht nur allein Menschen,
sondern Ochsen, Esel und Pferde sehr ausgezeichnete
Rollen dabei spielten. Du glaubst nicht, wie froh es

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ab, der mich dort ſchon an vierzehn Tagen erwartete,
und doch möcht' ich Dich über dieſen ſchmälen. Du biſt
ein coquetter, zierlicher Schreiber, aber Du biſt ein har-
ter Mann; die ganze ſchöne Natur, die herrliche Ge-
gend, die warmen Sommertage der Erinnerung, — das
alles rührt Dich nicht; ſo fre[u]ndlich Du biſt, ſo kalt biſt
Du auch. Wie ich das große Papierformat ſah, auf
allen vier Seiten beſchrieben, da dacht' ich, es würde
doch hier und da durchblitzen daß Du mich liebſt; es
blitzt auch, aber nur von Flittern, nicht von leiſem, be-
glückendem Feuer. O, welcher gewaltige Abſtand mag
ſein zwiſchen jener Correſpondence, die der Primas nicht
heraus geben will, und unſerm Briefwechſel; das kommt
daher weil ich Dich zu ſehr liebe und es Dir auch be-
kenne, das ſoll eine ſo närriſche Eigenheit der Männer
ſein, daß ſie dann kalt ſind, wenn man ſie zu ſehr
liebt.

Die Mutter iſt nun immer gar zu vergnügt und
freundlich, wenn ich von meinen Streifereien komme;
ſie hört mit Luſt alle kleine Abentheuer an, ich mache
denn nicht ſelten aus Klein, Groß, und diesmal war ich
reichlich damit verſehen, da nicht nur allein Menſchen,
ſondern Ochſen, Eſel und Pferde ſehr ausgezeichnete
Rollen dabei ſpielten. Du glaubſt nicht, wie froh es

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[313/0345] ab, der mich dort ſchon an vierzehn Tagen erwartete, und doch möcht' ich Dich über dieſen ſchmälen. Du biſt ein coquetter, zierlicher Schreiber, aber Du biſt ein har- ter Mann; die ganze ſchöne Natur, die herrliche Ge- gend, die warmen Sommertage der Erinnerung, — das alles rührt Dich nicht; ſo freundlich Du biſt, ſo kalt biſt Du auch. Wie ich das große Papierformat ſah, auf allen vier Seiten beſchrieben, da dacht' ich, es würde doch hier und da durchblitzen daß Du mich liebſt; es blitzt auch, aber nur von Flittern, nicht von leiſem, be- glückendem Feuer. O, welcher gewaltige Abſtand mag ſein zwiſchen jener Correſpondence, die der Primas nicht heraus geben will, und unſerm Briefwechſel; das kommt daher weil ich Dich zu ſehr liebe und es Dir auch be- kenne, das ſoll eine ſo närriſche Eigenheit der Männer ſein, daß ſie dann kalt ſind, wenn man ſie zu ſehr liebt. Die Mutter iſt nun immer gar zu vergnügt und freundlich, wenn ich von meinen Streifereien komme; ſie hört mit Luſt alle kleine Abentheuer an, ich mache denn nicht ſelten aus Klein, Groß, und diesmal war ich reichlich damit verſehen, da nicht nur allein Menſchen, ſondern Ochſen, Eſel und Pferde ſehr ausgezeichnete Rollen dabei ſpielten. Du glaubſt nicht, wie froh es I. 14

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/345>, abgerufen am 23.11.2024.