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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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daß sie sich eingeschmolzen fühlen in die Harmonie der
Töne, die Du mit Terz und Quint berechnen willst? --
Lerne nur verstehen, -- Du wirst um so mehr Dich wun-
dern über das Unbegreifliche. Die Sinne fließen in den
Strom der Begeisterung, und das erhöht sie. Alles was
den Menschen geistigerweise anspricht, geht hier in die
Sinne über; drum fühlt' er sich auch durch sie zu al-
lem bewegt. Liebe und Freundschaft und kriegerischer
Muth, und Sehnsucht nach der Gottheit -- alles wallt
im Blut; das Blut ist geheiligt; es entzündet den Leib,
daß er mit dem Geist zusammen dasselbe wolle. Das
ist die Wirkung der Musik auf die Sinne; das ist die
Verklärung des Leibes; die Sinne von Christus waren
eingeschmolzen in den göttlichen Geist; sie wollten mit
ihm dasselbe; er sagt: "Was Ihr berührt mit dem Geist,
wie mit den Sinnen, das sei göttlich, denn dann wird
Euer Leib auch Geist." Siehst Du, das hab' ich un-
gefähr empfunden und gedacht da, man sagte, Christus
habe nichts von Musik gewußt.

Verzeihe mir, daß ich so mit Dir spreche, gleichsam
ohne Basis, denn mir schwindelt, und ich deute kaum
an, was ich sagen möchte und vergesse alles so leicht
wieder; aber wenn ich in Dich das Zutrauen nicht ha-

daß ſie ſich eingeſchmolzen fühlen in die Harmonie der
Töne, die Du mit Terz und Quint berechnen willſt? —
Lerne nur verſtehen, — Du wirſt um ſo mehr Dich wun-
dern über das Unbegreifliche. Die Sinne fließen in den
Strom der Begeiſterung, und das erhöht ſie. Alles was
den Menſchen geiſtigerweiſe anſpricht, geht hier in die
Sinne über; drum fühlt' er ſich auch durch ſie zu al-
lem bewegt. Liebe und Freundſchaft und kriegeriſcher
Muth, und Sehnſucht nach der Gottheit — alles wallt
im Blut; das Blut iſt geheiligt; es entzündet den Leib,
daß er mit dem Geiſt zuſammen daſſelbe wolle. Das
iſt die Wirkung der Muſik auf die Sinne; das iſt die
Verklärung des Leibes; die Sinne von Chriſtus waren
eingeſchmolzen in den göttlichen Geiſt; ſie wollten mit
ihm daſſelbe; er ſagt: „Was Ihr berührt mit dem Geiſt,
wie mit den Sinnen, das ſei göttlich, denn dann wird
Euer Leib auch Geiſt.“ Siehſt Du, das hab' ich un-
gefähr empfunden und gedacht da, man ſagte, Chriſtus
habe nichts von Muſik gewußt.

Verzeihe mir, daß ich ſo mit Dir ſpreche, gleichſam
ohne Baſis, denn mir ſchwindelt, und ich deute kaum
an, was ich ſagen möchte und vergeſſe alles ſo leicht
wieder; aber wenn ich in Dich das Zutrauen nicht ha-

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[302/0334] daß ſie ſich eingeſchmolzen fühlen in die Harmonie der Töne, die Du mit Terz und Quint berechnen willſt? — Lerne nur verſtehen, — Du wirſt um ſo mehr Dich wun- dern über das Unbegreifliche. Die Sinne fließen in den Strom der Begeiſterung, und das erhöht ſie. Alles was den Menſchen geiſtigerweiſe anſpricht, geht hier in die Sinne über; drum fühlt' er ſich auch durch ſie zu al- lem bewegt. Liebe und Freundſchaft und kriegeriſcher Muth, und Sehnſucht nach der Gottheit — alles wallt im Blut; das Blut iſt geheiligt; es entzündet den Leib, daß er mit dem Geiſt zuſammen daſſelbe wolle. Das iſt die Wirkung der Muſik auf die Sinne; das iſt die Verklärung des Leibes; die Sinne von Chriſtus waren eingeſchmolzen in den göttlichen Geiſt; ſie wollten mit ihm daſſelbe; er ſagt: „Was Ihr berührt mit dem Geiſt, wie mit den Sinnen, das ſei göttlich, denn dann wird Euer Leib auch Geiſt.“ Siehſt Du, das hab' ich un- gefähr empfunden und gedacht da, man ſagte, Chriſtus habe nichts von Muſik gewußt. Verzeihe mir, daß ich ſo mit Dir ſpreche, gleichſam ohne Baſis, denn mir ſchwindelt, und ich deute kaum an, was ich ſagen möchte und vergeſſe alles ſo leicht wieder; aber wenn ich in Dich das Zutrauen nicht ha-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/334>, abgerufen am 28.11.2024.