Muth genug haben sich ihm hinzugeben? -- ist mir's doch, als ständ' er eben vor der Thür! -- Alle Adern klopfen mir im Kopf; ach wär' ich doch bei Ihr! -- das allein könnt' mich ruhig machen, daß ich säh', wie Sie auch vor Freud' außer sich wär'; oder wollt' mir einer einen Schlaftrunk geben, daß ich schlief bis ich bei ihm erwachte. Was werd' ich ihm sagen? -- ach, nicht wahr, er ist nicht hochmüthig? -- von Ihr werd' ich ihm auch alles erzählen, das wird er doch gewiß gern hören. Adieu, leb' Sie wohl und wünsch' Sie mir im Herzen eine glückliche Reis'. Ich bin ganz schwindlich.
Bettine.
Aber das muß ich Ihr doch noch sagen, wie's ge- kommen ist. Mein Schwager kam und sagte, wenn ich seine Frau überreden könne, in Männerkleidern mit ihm eine weite Geschäftsreise zu machen, so wolle er mich mitnehmen, und auf dem Rückweg mir zu Lieb' über Weimar gehen. Denk' Sie doch, Weimar schien mir immer so entfernt, als wenn es in einem andern Welttheil läg', und nun ist's vor der Thür.
Muth genug haben ſich ihm hinzugeben? — iſt mir's doch, als ſtänd' er eben vor der Thür! — Alle Adern klopfen mir im Kopf; ach wär' ich doch bei Ihr! — das allein könnt' mich ruhig machen, daß ich ſäh', wie Sie auch vor Freud' außer ſich wär'; oder wollt' mir einer einen Schlaftrunk geben, daß ich ſchlief bis ich bei ihm erwachte. Was werd' ich ihm ſagen? — ach, nicht wahr, er iſt nicht hochmüthig? — von Ihr werd' ich ihm auch alles erzählen, das wird er doch gewiß gern hören. Adieu, leb' Sie wohl und wünſch' Sie mir im Herzen eine glückliche Reiſ'. Ich bin ganz ſchwindlich.
Bettine.
Aber das muß ich Ihr doch noch ſagen, wie's ge- kommen iſt. Mein Schwager kam und ſagte, wenn ich ſeine Frau überreden könne, in Männerkleidern mit ihm eine weite Geſchäftsreiſe zu machen, ſo wolle er mich mitnehmen, und auf dem Rückweg mir zu Lieb' über Weimar gehen. Denk' Sie doch, Weimar ſchien mir immer ſo entfernt, als wenn es in einem andern Welttheil läg', und nun iſt's vor der Thür.
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[XII/0032]
Muth genug haben ſich ihm hinzugeben? — iſt mir's
doch, als ſtänd' er eben vor der Thür! — Alle Adern
klopfen mir im Kopf; ach wär' ich doch bei Ihr! — das
allein könnt' mich ruhig machen, daß ich ſäh', wie Sie
auch vor Freud' außer ſich wär'; oder wollt' mir einer
einen Schlaftrunk geben, daß ich ſchlief bis ich bei ihm
erwachte. Was werd' ich ihm ſagen? — ach, nicht
wahr, er iſt nicht hochmüthig? — von Ihr werd' ich ihm
auch alles erzählen, das wird er doch gewiß gern hören.
Adieu, leb' Sie wohl und wünſch' Sie mir im Herzen
eine glückliche Reiſ'. Ich bin ganz ſchwindlich.
Bettine.
Aber das muß ich Ihr doch noch ſagen, wie's ge-
kommen iſt. Mein Schwager kam und ſagte, wenn
ich ſeine Frau überreden könne, in Männerkleidern mit
ihm eine weite Geſchäftsreiſe zu machen, ſo wolle er
mich mitnehmen, und auf dem Rückweg mir zu Lieb'
über Weimar gehen. Denk' Sie doch, Weimar ſchien
mir immer ſo entfernt, als wenn es in einem andern
Welttheil läg', und nun iſt's vor der Thür.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/32>, abgerufen am 24.11.2024.
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