ich ein, -- es war so schön, alles Blüthe und Wohlge- ruch. Und das weite, grenzenlose Heer der Sterne, und das flatternde Mondsilber, das von Ferne zu Ferne auf dem Fluß tanzte, die ungeheure Stille der Natur, in der man alles hört, was sich regt; ach, hier fühle ich meine Seele eingepflanzt in diese Nachtschauer; hier keimen zukünftige Gedanken; diese kalten Thauperlen, die Gras und Kräuter beschweren, von denen wächst der Geist; er eilt, er will Dir blühen, Goethe; er will seine bunten Farben vor Dir ausbreiten; Liebe zu Dir ist es, daß ich denken will, daß ich ringe nach noch Unausgesprochenem. Du siehst mich an im Geist, und dein Blick zieht Gedanken aus mir; da muß ich oft sagen, was ich nicht verstehe, -- was ich nur sehe.
Der Geist hat auch Sinne; so wie wir manches nur hören, oder nur sehen, oder nur fühlen: so giebt's Ge- danken, die der Geist auch nur mit einem dieser Sinne wahrnimmt; oft seh' ich nur was ich denke, oft fühle ich's; und wenn ich's höre, da erschüttert mich's. Ich weiß nicht wie ich zu diesen Erfahrungen komme, die sich nicht aus eigner Überlegung erzeugen; -- ich sehe mich um nach dem Herrn dieser Stimme; -- und dann meine ich, daß sich alles aus dem Feuer der Liebe er- zeuge. Es ist Wärme im Geist, wir fühlen es; die
ich ein, — es war ſo ſchön, alles Blüthe und Wohlge- ruch. Und das weite, grenzenloſe Heer der Sterne, und das flatternde Mondſilber, das von Ferne zu Ferne auf dem Fluß tanzte, die ungeheure Stille der Natur, in der man alles hört, was ſich regt; ach, hier fühle ich meine Seele eingepflanzt in dieſe Nachtſchauer; hier keimen zukünftige Gedanken; dieſe kalten Thauperlen, die Gras und Kräuter beſchweren, von denen wächſt der Geiſt; er eilt, er will Dir blühen, Goethe; er will ſeine bunten Farben vor Dir ausbreiten; Liebe zu Dir iſt es, daß ich denken will, daß ich ringe nach noch Unausgeſprochenem. Du ſiehſt mich an im Geiſt, und dein Blick zieht Gedanken aus mir; da muß ich oft ſagen, was ich nicht verſtehe, — was ich nur ſehe.
Der Geiſt hat auch Sinne; ſo wie wir manches nur hören, oder nur ſehen, oder nur fühlen: ſo giebt's Ge- danken, die der Geiſt auch nur mit einem dieſer Sinne wahrnimmt; oft ſeh' ich nur was ich denke, oft fühle ich's; und wenn ich's höre, da erſchüttert mich's. Ich weiß nicht wie ich zu dieſen Erfahrungen komme, die ſich nicht aus eigner Überlegung erzeugen; — ich ſehe mich um nach dem Herrn dieſer Stimme; — und dann meine ich, daß ſich alles aus dem Feuer der Liebe er- zeuge. Es iſt Wärme im Geiſt, wir fühlen es; die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0288"n="256"/>
ich ein, — es war ſo ſchön, alles Blüthe und Wohlge-<lb/>
ruch. Und das weite, grenzenloſe Heer der Sterne, und<lb/>
das flatternde Mondſilber, das von Ferne zu Ferne auf<lb/>
dem Fluß tanzte, die ungeheure Stille der Natur, in<lb/>
der man alles hört, was ſich regt; ach, hier fühle ich<lb/>
meine Seele eingepflanzt in dieſe Nachtſchauer; hier<lb/>
keimen zukünftige Gedanken; dieſe kalten Thauperlen,<lb/>
die Gras und Kräuter beſchweren, von denen wächſt<lb/>
der Geiſt; er eilt, er will <hirendition="#g">Dir</hi> blühen, Goethe; er will<lb/>ſeine bunten Farben vor Dir ausbreiten; Liebe zu Dir<lb/>
iſt es, daß ich denken will, daß ich ringe nach noch<lb/>
Unausgeſprochenem. Du ſiehſt mich an im Geiſt, und<lb/>
dein Blick zieht Gedanken aus mir; da muß ich oft<lb/>ſagen, was ich nicht verſtehe, — was ich nur ſehe.</p><lb/><p>Der Geiſt hat auch Sinne; ſo wie wir manches nur<lb/>
hören, oder nur ſehen, oder nur fühlen: ſo giebt's Ge-<lb/>
danken, die der Geiſt auch nur mit einem dieſer Sinne<lb/>
wahrnimmt; oft ſeh' ich nur was ich denke, oft fühle<lb/>
ich's; und wenn ich's höre, da erſchüttert mich's. Ich<lb/>
weiß nicht wie ich zu dieſen Erfahrungen komme, die<lb/>ſich nicht aus eigner Überlegung erzeugen; — ich ſehe<lb/>
mich um nach dem Herrn dieſer Stimme; — und dann<lb/>
meine ich, daß ſich alles aus dem Feuer der Liebe er-<lb/>
zeuge. Es iſt Wärme im Geiſt, wir fühlen es; die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[256/0288]
ich ein, — es war ſo ſchön, alles Blüthe und Wohlge-
ruch. Und das weite, grenzenloſe Heer der Sterne, und
das flatternde Mondſilber, das von Ferne zu Ferne auf
dem Fluß tanzte, die ungeheure Stille der Natur, in
der man alles hört, was ſich regt; ach, hier fühle ich
meine Seele eingepflanzt in dieſe Nachtſchauer; hier
keimen zukünftige Gedanken; dieſe kalten Thauperlen,
die Gras und Kräuter beſchweren, von denen wächſt
der Geiſt; er eilt, er will Dir blühen, Goethe; er will
ſeine bunten Farben vor Dir ausbreiten; Liebe zu Dir
iſt es, daß ich denken will, daß ich ringe nach noch
Unausgeſprochenem. Du ſiehſt mich an im Geiſt, und
dein Blick zieht Gedanken aus mir; da muß ich oft
ſagen, was ich nicht verſtehe, — was ich nur ſehe.
Der Geiſt hat auch Sinne; ſo wie wir manches nur
hören, oder nur ſehen, oder nur fühlen: ſo giebt's Ge-
danken, die der Geiſt auch nur mit einem dieſer Sinne
wahrnimmt; oft ſeh' ich nur was ich denke, oft fühle
ich's; und wenn ich's höre, da erſchüttert mich's. Ich
weiß nicht wie ich zu dieſen Erfahrungen komme, die
ſich nicht aus eigner Überlegung erzeugen; — ich ſehe
mich um nach dem Herrn dieſer Stimme; — und dann
meine ich, daß ſich alles aus dem Feuer der Liebe er-
zeuge. Es iſt Wärme im Geiſt, wir fühlen es; die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/288>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.