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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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sagte den Sternen gute Nacht; bald war ich eingeschla-
fen, -- dann und wann weckten mich irrende Lüftchen,
dann dacht' ich an Dich; so oft ich erwachte, rief ich
Dich zu mir, ich sagte immer im Herzen: Goethe, sei
bei mir, damit ich mich nicht fürchte; dann träumte
ich, daß ich längs den schilfigen Ufern des Rheins schiffe,
und da wo es am tiefsten war, zwischen schwarzen Fels-
spalten, da entfiel mir dein Ring; ich sah ihn sinken,
tiefer und tiefer, bis auf den Grund! Ich wollte nach
Hülfe rufen, -- da erwachte ich im Morgenroth, neu-
beglückt, daß der Ring noch am Finger war. Ach Pro-
phet! -- deute mir diesen Traum; komm dem Schicksal
zuvor, laß unserer Liebe nicht zu nahe geschehen, nach
dieser schönen Nacht, wo ich zwischen Furcht und Freude
im Rath der Sterne deiner Zukunft gedachte *). Ich


*)
Als ich auf dem Euphrat schiffte,
Streifte sich der goldne Ring
Fingerab in Wasserklüfte,
Den ich jüngst von Dir empfing.
Also träumt' ich. Morgenröthe
Blitzt' in's Auge durch den Baum,
Sag' Poete, sag' Prophete!
Was bedeutet dieser Traum?

ſagte den Sternen gute Nacht; bald war ich eingeſchla-
fen, — dann und wann weckten mich irrende Lüftchen,
dann dacht' ich an Dich; ſo oft ich erwachte, rief ich
Dich zu mir, ich ſagte immer im Herzen: Goethe, ſei
bei mir, damit ich mich nicht fürchte; dann träumte
ich, daß ich längs den ſchilfigen Ufern des Rheins ſchiffe,
und da wo es am tiefſten war, zwiſchen ſchwarzen Fels-
ſpalten, da entfiel mir dein Ring; ich ſah ihn ſinken,
tiefer und tiefer, bis auf den Grund! Ich wollte nach
Hülfe rufen, — da erwachte ich im Morgenroth, neu-
beglückt, daß der Ring noch am Finger war. Ach Pro-
phet! — deute mir dieſen Traum; komm dem Schickſal
zuvor, laß unſerer Liebe nicht zu nahe geſchehen, nach
dieſer ſchönen Nacht, wo ich zwiſchen Furcht und Freude
im Rath der Sterne deiner Zukunft gedachte *). Ich


*)
Als ich auf dem Euphrat ſchiffte,
Streifte ſich der goldne Ring
Fingerab in Waſſerklüfte,
Den ich jüngſt von Dir empfing.
Alſo träumt' ich. Morgenröthe
Blitzt' in's Auge durch den Baum,
Sag' Poete, ſag' Prophete!
Was bedeutet dieſer Traum?
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[254/0286] ſagte den Sternen gute Nacht; bald war ich eingeſchla- fen, — dann und wann weckten mich irrende Lüftchen, dann dacht' ich an Dich; ſo oft ich erwachte, rief ich Dich zu mir, ich ſagte immer im Herzen: Goethe, ſei bei mir, damit ich mich nicht fürchte; dann träumte ich, daß ich längs den ſchilfigen Ufern des Rheins ſchiffe, und da wo es am tiefſten war, zwiſchen ſchwarzen Fels- ſpalten, da entfiel mir dein Ring; ich ſah ihn ſinken, tiefer und tiefer, bis auf den Grund! Ich wollte nach Hülfe rufen, — da erwachte ich im Morgenroth, neu- beglückt, daß der Ring noch am Finger war. Ach Pro- phet! — deute mir dieſen Traum; komm dem Schickſal zuvor, laß unſerer Liebe nicht zu nahe geſchehen, nach dieſer ſchönen Nacht, wo ich zwiſchen Furcht und Freude im Rath der Sterne deiner Zukunft gedachte *). Ich *) Als ich auf dem Euphrat ſchiffte, Streifte ſich der goldne Ring Fingerab in Waſſerklüfte, Den ich jüngſt von Dir empfing. Alſo träumt' ich. Morgenröthe Blitzt' in's Auge durch den Baum, Sag' Poete, ſag' Prophete! Was bedeutet dieſer Traum?

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/286>, abgerufen am 22.11.2024.