blicken die Erfahrung nichts, und so scheint mir denn, Dein Herz zu erreichen in seinem vollen Glanze, nichts Unmögliches.
Molitor war gestern bei mir; ich las ihm die Worte über ihn aus Deinem Briefe vor, sie haben ihn sehr ergötzt; dieser Edle ist der Meinung, daß, da er einen Leib für die Juden zu opfern habe, und einen Geist ihnen zu widmen, beide auch recht nützlich anzu- wenden; es geht ihm übrigens nicht sehr wohl, außer in seinem Vertrauen auf Gott, bei welchem er jedoch fest glaubt, daß die Welt nur durch Schwarzkunst wie- der in's Gleichgewicht zu bringen ist. Er hat groß Vertrauen auf mich und glaubt, daß ich mit der Divi- nationskraft begabt bin; brav ist er, und will ernstlich das Gute; bekümmert sich deswegen nichts um die Welt und um sein eigen Fortkommen; ist mit einem Stuhl, einem Bett und mit fünf Büchern die er im Vermögen hat, sehr wohl zufrieden.
Adieu, ich eile Toilette zu machen, um mit Deiner Mutter und Deinem Sohn zum Primas zu fahren, der heute ihnen zu Ehren ein großes Fest giebt; -- da werd' ich denn wieder recht mit dem Schlaf zu kämpfen haben; diese vielen Lichter, die geputzten Leute, die ge-
blicken die Erfahrung nichts, und ſo ſcheint mir denn, Dein Herz zu erreichen in ſeinem vollen Glanze, nichts Unmögliches.
Molitor war geſtern bei mir; ich las ihm die Worte über ihn aus Deinem Briefe vor, ſie haben ihn ſehr ergötzt; dieſer Edle iſt der Meinung, daß, da er einen Leib für die Juden zu opfern habe, und einen Geiſt ihnen zu widmen, beide auch recht nützlich anzu- wenden; es geht ihm übrigens nicht ſehr wohl, außer in ſeinem Vertrauen auf Gott, bei welchem er jedoch feſt glaubt, daß die Welt nur durch Schwarzkunſt wie- der in's Gleichgewicht zu bringen iſt. Er hat groß Vertrauen auf mich und glaubt, daß ich mit der Divi- nationskraft begabt bin; brav iſt er, und will ernſtlich das Gute; bekümmert ſich deswegen nichts um die Welt und um ſein eigen Fortkommen; iſt mit einem Stuhl, einem Bett und mit fünf Büchern die er im Vermögen hat, ſehr wohl zufrieden.
Adieu, ich eile Toilette zu machen, um mit Deiner Mutter und Deinem Sohn zum Primas zu fahren, der heute ihnen zu Ehren ein großes Feſt giebt; — da werd' ich denn wieder recht mit dem Schlaf zu kämpfen haben; dieſe vielen Lichter, die geputzten Leute, die ge-
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blicken die Erfahrung nichts, und ſo ſcheint mir denn,
Dein Herz zu erreichen in ſeinem vollen Glanze, nichts
Unmögliches.
Molitor war geſtern bei mir; ich las ihm die
Worte über ihn aus Deinem Briefe vor, ſie haben ihn
ſehr ergötzt; dieſer Edle iſt der Meinung, daß, da er
einen Leib für die Juden zu opfern habe, und einen
Geiſt ihnen zu widmen, beide auch recht nützlich anzu-
wenden; es geht ihm übrigens nicht ſehr wohl, außer
in ſeinem Vertrauen auf Gott, bei welchem er jedoch
feſt glaubt, daß die Welt nur durch Schwarzkunſt wie-
der in's Gleichgewicht zu bringen iſt. Er hat groß
Vertrauen auf mich und glaubt, daß ich mit der Divi-
nationskraft begabt bin; brav iſt er, und will ernſtlich
das Gute; bekümmert ſich deswegen nichts um die Welt
und um ſein eigen Fortkommen; iſt mit einem Stuhl,
einem Bett und mit fünf Büchern die er im Vermögen
hat, ſehr wohl zufrieden.
Adieu, ich eile Toilette zu machen, um mit Deiner
Mutter und Deinem Sohn zum Primas zu fahren, der
heute ihnen zu Ehren ein großes Feſt giebt; — da
werd' ich denn wieder recht mit dem Schlaf zu kämpfen
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/244>, abgerufen am 22.11.2024.
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