Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Gnade widerfahren lassen, weil Du sie verherrlichst,
und weiß nichts von Dir! sag' nur, ob Du's zufrieden
bist, daß ich Dir schreibe? -- sag' nur: ja Du darfst!
Wenn ich nun in etlichen Wochen, denn da haben wir
schon Frühling hier, in's Rheingau gehe, dann schreib'
ich Dir von jedem Berg aus; bin Dir so immer viel
näher, wenn ich außer den Stadtmauern bin, da glaub'
ich manchmal mit jedem Athemzug Dich zu fühlen, wie
Du im Herzen regierst, wenn es recht schön ist draußen,
wenn die Luft schmeichelt, ja wenn die Natur gut und
freundlich ist, wie Du, da fühl ich Dich so deutlich. --
Aber was soll ich mit Dir? -- Du selbst hast mir nichts
zu sagen, in dem Brief, den Du mir schriebst, den ich
zwar so lieb habe, wie meinen Augapfel, da nennst Du
mich nicht einmal wie Du gewohnt warst, grad' als
ob ich Deiner Vertraulichkeiten nicht werth wäre. Ach,
es geht ja von Mund zu Herzen bei mir! ich würde
nichts von Schatz und Herz und Kuß veräußern, und
wenn ich auch am Hungertuch nagen müßte. In der
Karmeliterkirche hab' ich im Herbst allerlei geschrieben,
Erinnerungen aus der Kindheit, -- sie fielen mir immer
ein wenn ich dahin kam, und doch war ich blos hinge-
kommen, um ungestört an Dich zu denken! Jede Le-
benszeit geht mir in Dir auf, ich denke mir die Kinder-

Gnade widerfahren laſſen, weil Du ſie verherrlichſt,
und weiß nichts von Dir! ſag' nur, ob Du's zufrieden
biſt, daß ich Dir ſchreibe? — ſag' nur: ja Du darfſt!
Wenn ich nun in etlichen Wochen, denn da haben wir
ſchon Frühling hier, in's Rheingau gehe, dann ſchreib'
ich Dir von jedem Berg aus; bin Dir ſo immer viel
näher, wenn ich außer den Stadtmauern bin, da glaub'
ich manchmal mit jedem Athemzug Dich zu fühlen, wie
Du im Herzen regierſt, wenn es recht ſchön iſt draußen,
wenn die Luft ſchmeichelt, ja wenn die Natur gut und
freundlich iſt, wie Du, da fühl ich Dich ſo deutlich. —
Aber was ſoll ich mit Dir? — Du ſelbſt haſt mir nichts
zu ſagen, in dem Brief, den Du mir ſchriebſt, den ich
zwar ſo lieb habe, wie meinen Augapfel, da nennſt Du
mich nicht einmal wie Du gewohnt warſt, grad' als
ob ich Deiner Vertraulichkeiten nicht werth wäre. Ach,
es geht ja von Mund zu Herzen bei mir! ich würde
nichts von Schatz und Herz und Kuß veräußern, und
wenn ich auch am Hungertuch nagen müßte. In der
Karmeliterkirche hab' ich im Herbſt allerlei geſchrieben,
Erinnerungen aus der Kindheit, — ſie fielen mir immer
ein wenn ich dahin kam, und doch war ich blos hinge-
kommen, um ungeſtört an Dich zu denken! Jede Le-
benszeit geht mir in Dir auf, ich denke mir die Kinder-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0231" n="199"/>
Gnade widerfahren la&#x017F;&#x017F;en, weil Du &#x017F;ie verherrlich&#x017F;t,<lb/>
und weiß nichts von Dir! &#x017F;ag' nur, ob Du's zufrieden<lb/>
bi&#x017F;t, daß ich Dir &#x017F;chreibe? &#x2014; &#x017F;ag' nur: <hi rendition="#g">ja Du darf&#x017F;t</hi>!<lb/>
Wenn ich nun in etlichen Wochen, denn da haben wir<lb/>
&#x017F;chon Frühling hier, in's Rheingau gehe, dann &#x017F;chreib'<lb/>
ich Dir von jedem Berg aus; bin Dir &#x017F;o immer viel<lb/>
näher, wenn ich außer den Stadtmauern bin, da glaub'<lb/>
ich manchmal mit jedem Athemzug Dich zu fühlen, wie<lb/>
Du im Herzen regier&#x017F;t, wenn es recht &#x017F;chön i&#x017F;t draußen,<lb/>
wenn die Luft &#x017F;chmeichelt, ja wenn die Natur gut und<lb/>
freundlich i&#x017F;t, wie Du, da fühl ich Dich &#x017F;o deutlich. &#x2014;<lb/>
Aber was &#x017F;oll ich mit Dir? &#x2014; Du &#x017F;elb&#x017F;t ha&#x017F;t mir nichts<lb/>
zu &#x017F;agen, in dem Brief, den Du mir &#x017F;chrieb&#x017F;t, den ich<lb/>
zwar &#x017F;o lieb habe, wie meinen Augapfel, da nenn&#x017F;t Du<lb/>
mich nicht einmal wie Du gewohnt war&#x017F;t, grad' als<lb/>
ob ich Deiner Vertraulichkeiten nicht werth wäre. Ach,<lb/>
es geht ja von Mund zu Herzen bei mir! ich würde<lb/>
nichts von Schatz und Herz und Kuß veräußern, und<lb/>
wenn ich auch am Hungertuch nagen müßte. In der<lb/>
Karmeliterkirche hab' ich im Herb&#x017F;t allerlei ge&#x017F;chrieben,<lb/>
Erinnerungen aus der Kindheit, &#x2014; &#x017F;ie fielen mir immer<lb/>
ein wenn ich dahin kam, und doch war ich blos hinge-<lb/>
kommen, um unge&#x017F;tört an Dich zu denken! Jede Le-<lb/>
benszeit geht mir in Dir auf, ich denke mir die Kinder-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0231] Gnade widerfahren laſſen, weil Du ſie verherrlichſt, und weiß nichts von Dir! ſag' nur, ob Du's zufrieden biſt, daß ich Dir ſchreibe? — ſag' nur: ja Du darfſt! Wenn ich nun in etlichen Wochen, denn da haben wir ſchon Frühling hier, in's Rheingau gehe, dann ſchreib' ich Dir von jedem Berg aus; bin Dir ſo immer viel näher, wenn ich außer den Stadtmauern bin, da glaub' ich manchmal mit jedem Athemzug Dich zu fühlen, wie Du im Herzen regierſt, wenn es recht ſchön iſt draußen, wenn die Luft ſchmeichelt, ja wenn die Natur gut und freundlich iſt, wie Du, da fühl ich Dich ſo deutlich. — Aber was ſoll ich mit Dir? — Du ſelbſt haſt mir nichts zu ſagen, in dem Brief, den Du mir ſchriebſt, den ich zwar ſo lieb habe, wie meinen Augapfel, da nennſt Du mich nicht einmal wie Du gewohnt warſt, grad' als ob ich Deiner Vertraulichkeiten nicht werth wäre. Ach, es geht ja von Mund zu Herzen bei mir! ich würde nichts von Schatz und Herz und Kuß veräußern, und wenn ich auch am Hungertuch nagen müßte. In der Karmeliterkirche hab' ich im Herbſt allerlei geſchrieben, Erinnerungen aus der Kindheit, — ſie fielen mir immer ein wenn ich dahin kam, und doch war ich blos hinge- kommen, um ungeſtört an Dich zu denken! Jede Le- benszeit geht mir in Dir auf, ich denke mir die Kinder-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/231
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/231>, abgerufen am 25.11.2024.