Gesundheit trinken willst, ach ich gönne sie Dir, lasse keinen Tropfen übrig, möchte ich mich selber doch so in Dich ergießen und Dir wohl bekommen.
Deine Mutter erzählte mir wie Du kurz, nachdem Du den Werther geschrieben, im Schauspiel gesessen, und wie Dir da anonym ein Billet sei in die Hand gedrückt worden, darin geschrieben war: ils ne te com- prendront point Jean Jaques. Sie behauptet, ich aber könne immer zu jedem sagen: tu ne me comprendras point Jean Jaques, denn welcher Hans Jacob wird Dich nicht mißverstehen, oder Dich gelten lassen wollen. -- Sie sagt aber, Du Goethe verstündest mich, und ich gelte alles bei Dir.
Die Erziehungsplane und Judenbroschüren werd' ich mit nächstem Posttag senden. Obschon Du nicht zu allen gefälligen Gegendiensten bereit bist; aber doch mir schicken willst was reif ist, so denke doch, daß meine Liebe dir brennende Strahlen zusendet um jede Regung für mich zu süßer Reife zu bringen.
Bettine.
Vernimm das Lispeln dieses Liebewehens; Mein einzig Glück auf Erden ist Dein Wille, Dein freundlicher zu mir; gieb mir ein Zeichen!
(Goethes Werke 2ter Band Seite 10.)
Geſundheit trinken willſt, ach ich gönne ſie Dir, laſſe keinen Tropfen übrig, möchte ich mich ſelber doch ſo in Dich ergießen und Dir wohl bekommen.
Deine Mutter erzählte mir wie Du kurz, nachdem Du den Werther geſchrieben, im Schauſpiel geſeſſen, und wie Dir da anonym ein Billet ſei in die Hand gedrückt worden, darin geſchrieben war: ils ne te com- prendront point Jean Jaques. Sie behauptet, ich aber könne immer zu jedem ſagen: tu ne me comprendras point Jean Jaques, denn welcher Hans Jacob wird Dich nicht mißverſtehen, oder Dich gelten laſſen wollen. — Sie ſagt aber, Du Goethe verſtündeſt mich, und ich gelte alles bei Dir.
Die Erziehungsplane und Judenbroſchüren werd' ich mit nächſtem Poſttag ſenden. Obſchon Du nicht zu allen gefälligen Gegendienſten bereit biſt; aber doch mir ſchicken willſt was reif iſt, ſo denke doch, daß meine Liebe dir brennende Strahlen zuſendet um jede Regung für mich zu ſüßer Reife zu bringen.
Bettine.
Vernimm das Liſpeln dieſes Liebewehens; Mein einzig Glück auf Erden iſt Dein Wille, Dein freundlicher zu mir; gieb mir ein Zeichen!
(Goethes Werke 2ter Band Seite 10.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0221"n="189"/>
Geſundheit trinken willſt, ach ich gönne ſie Dir, laſſe<lb/>
keinen Tropfen übrig, möchte ich mich ſelber doch ſo in<lb/>
Dich ergießen und Dir wohl bekommen.</p><lb/><p>Deine Mutter erzählte mir wie Du kurz, nachdem<lb/>
Du den Werther geſchrieben, im Schauſpiel geſeſſen,<lb/>
und wie Dir da anonym ein Billet ſei in die Hand<lb/>
gedrückt worden, darin geſchrieben war: <hirendition="#aq">ils ne te com-<lb/>
prendront point Jean Jaques.</hi> Sie behauptet, ich aber<lb/>
könne immer zu jedem ſagen: <hirendition="#aq">tu ne me comprendras<lb/>
point Jean Jaques,</hi> denn welcher Hans Jacob wird Dich<lb/>
nicht mißverſtehen, oder Dich gelten laſſen wollen. —<lb/>
Sie ſagt aber, Du Goethe verſtündeſt mich, und ich<lb/>
gelte alles bei Dir.</p><lb/><p>Die Erziehungsplane und Judenbroſchüren werd' ich<lb/>
mit nächſtem Poſttag ſenden. Obſchon Du nicht zu allen<lb/>
gefälligen Gegendienſten bereit biſt; aber doch mir ſchicken<lb/>
willſt was reif iſt, ſo denke doch, daß meine Liebe dir<lb/>
brennende Strahlen zuſendet um jede Regung für mich<lb/>
zu ſüßer Reife zu bringen.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Bettine.</hi></salute></closer></div><lb/><divn="2"><notexml:id="note-0221"prev="#note-0220"place="foot"n="*)"><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Vernimm das Liſpeln dieſes Liebewehens;</l><lb/><l>Mein einzig Glück auf Erden iſt Dein Wille,</l><lb/><l>Dein freundlicher zu mir; gieb mir ein Zeichen!</l></lg></lg><lb/><hirendition="#et">(Goethes Werke 2ter Band Seite 10.)</hi></note></div><lb/></div></body></text></TEI>
[189/0221]
Geſundheit trinken willſt, ach ich gönne ſie Dir, laſſe
keinen Tropfen übrig, möchte ich mich ſelber doch ſo in
Dich ergießen und Dir wohl bekommen.
Deine Mutter erzählte mir wie Du kurz, nachdem
Du den Werther geſchrieben, im Schauſpiel geſeſſen,
und wie Dir da anonym ein Billet ſei in die Hand
gedrückt worden, darin geſchrieben war: ils ne te com-
prendront point Jean Jaques. Sie behauptet, ich aber
könne immer zu jedem ſagen: tu ne me comprendras
point Jean Jaques, denn welcher Hans Jacob wird Dich
nicht mißverſtehen, oder Dich gelten laſſen wollen. —
Sie ſagt aber, Du Goethe verſtündeſt mich, und ich
gelte alles bei Dir.
Die Erziehungsplane und Judenbroſchüren werd' ich
mit nächſtem Poſttag ſenden. Obſchon Du nicht zu allen
gefälligen Gegendienſten bereit biſt; aber doch mir ſchicken
willſt was reif iſt, ſo denke doch, daß meine Liebe dir
brennende Strahlen zuſendet um jede Regung für mich
zu ſüßer Reife zu bringen.
Bettine.
*)
*) Vernimm das Liſpeln dieſes Liebewehens;
Mein einzig Glück auf Erden iſt Dein Wille,
Dein freundlicher zu mir; gieb mir ein Zeichen!
(Goethes Werke 2ter Band Seite 10.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/221>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.