Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

die modernen Israeliten gegen die neue Städtigkeit ge-
behrden, in der man sie freilich als wahre Juden und
ehmalige kaiserliche Kammerknechte traktirt. Mögen
Sie etwas von den christlichen Erziehungsplänen bei-
legen, so soll auch das unsern Dank vermehren. Ich
sage nicht, wie es bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich
ist, daß ich zu allen gefälligen Gegendiensten bereit sei,
doch wenn etwas bei uns einmal reif wird was Sie
freuen könnte, so soll es auch zu Ihnen gelangen.

Liebstes Kind, verzeih daß ich mit fremder Hand
schreiben mußte. Über Dein musikalisches Evangelium
und über alles was Du mir Liebes und Schönes schreibst,
hätte ich Dir so heute nichts sagen können, aber laß
Dich nicht stören in Deinem Eigensinn und in Deinen
Launen, es ist mir viel werth Dich zu haben wie Du
bist, und in meinem Herzen findest Du immer eine
warme Aufnahme. Du bist ein wunderliches Kind, und
bei Deiner Ansiedlung in Kirchen könntest Du leicht zu
einer wunderlichen Heiligen werden, ich gebe Dir's zu
bedenken.

Goethe.

die modernen Iſraeliten gegen die neue Städtigkeit ge-
behrden, in der man ſie freilich als wahre Juden und
ehmalige kaiſerliche Kammerknechte traktirt. Mögen
Sie etwas von den chriſtlichen Erziehungsplänen bei-
legen, ſo ſoll auch das unſern Dank vermehren. Ich
ſage nicht, wie es bei ſolchen Gelegenheiten gewöhnlich
iſt, daß ich zu allen gefälligen Gegendienſten bereit ſei,
doch wenn etwas bei uns einmal reif wird was Sie
freuen könnte, ſo ſoll es auch zu Ihnen gelangen.

Liebſtes Kind, verzeih daß ich mit fremder Hand
ſchreiben mußte. Über Dein muſikaliſches Evangelium
und über alles was Du mir Liebes und Schönes ſchreibſt,
hätte ich Dir ſo heute nichts ſagen können, aber laß
Dich nicht ſtören in Deinem Eigenſinn und in Deinen
Launen, es iſt mir viel werth Dich zu haben wie Du
biſt, und in meinem Herzen findeſt Du immer eine
warme Aufnahme. Du biſt ein wunderliches Kind, und
bei Deiner Anſiedlung in Kirchen könnteſt Du leicht zu
einer wunderlichen Heiligen werden, ich gebe Dir's zu
bedenken.

Goethe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0218" n="186"/>
die modernen I&#x017F;raeliten gegen die neue Städtigkeit ge-<lb/>
behrden, in der man &#x017F;ie freilich als wahre Juden und<lb/>
ehmalige kai&#x017F;erliche Kammerknechte traktirt. Mögen<lb/>
Sie etwas von den chri&#x017F;tlichen Erziehungsplänen bei-<lb/>
legen, &#x017F;o &#x017F;oll auch das un&#x017F;ern Dank vermehren. Ich<lb/>
&#x017F;age nicht, wie es bei &#x017F;olchen Gelegenheiten gewöhnlich<lb/>
i&#x017F;t, daß ich zu allen gefälligen Gegendien&#x017F;ten bereit &#x017F;ei,<lb/>
doch wenn etwas bei uns einmal reif wird was Sie<lb/>
freuen könnte, &#x017F;o &#x017F;oll es auch zu Ihnen gelangen.</p><lb/>
          <p>Lieb&#x017F;tes Kind, verzeih daß ich mit fremder Hand<lb/>
&#x017F;chreiben mußte. Über Dein mu&#x017F;ikali&#x017F;ches Evangelium<lb/>
und über alles was Du mir Liebes und Schönes &#x017F;chreib&#x017F;t,<lb/>
hätte ich Dir &#x017F;o heute nichts &#x017F;agen können, aber laß<lb/>
Dich nicht &#x017F;tören in Deinem Eigen&#x017F;inn und in Deinen<lb/>
Launen, es i&#x017F;t mir viel werth Dich zu haben wie Du<lb/>
bi&#x017F;t, und in meinem Herzen finde&#x017F;t Du immer eine<lb/>
warme Aufnahme. Du bi&#x017F;t ein wunderliches Kind, und<lb/>
bei Deiner An&#x017F;iedlung in Kirchen könnte&#x017F;t Du leicht zu<lb/>
einer wunderlichen Heiligen werden, ich gebe Dir's zu<lb/>
bedenken.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Goethe.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0218] die modernen Iſraeliten gegen die neue Städtigkeit ge- behrden, in der man ſie freilich als wahre Juden und ehmalige kaiſerliche Kammerknechte traktirt. Mögen Sie etwas von den chriſtlichen Erziehungsplänen bei- legen, ſo ſoll auch das unſern Dank vermehren. Ich ſage nicht, wie es bei ſolchen Gelegenheiten gewöhnlich iſt, daß ich zu allen gefälligen Gegendienſten bereit ſei, doch wenn etwas bei uns einmal reif wird was Sie freuen könnte, ſo ſoll es auch zu Ihnen gelangen. Liebſtes Kind, verzeih daß ich mit fremder Hand ſchreiben mußte. Über Dein muſikaliſches Evangelium und über alles was Du mir Liebes und Schönes ſchreibſt, hätte ich Dir ſo heute nichts ſagen können, aber laß Dich nicht ſtören in Deinem Eigenſinn und in Deinen Launen, es iſt mir viel werth Dich zu haben wie Du biſt, und in meinem Herzen findeſt Du immer eine warme Aufnahme. Du biſt ein wunderliches Kind, und bei Deiner Anſiedlung in Kirchen könnteſt Du leicht zu einer wunderlichen Heiligen werden, ich gebe Dir's zu bedenken. Goethe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/218
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/218>, abgerufen am 22.11.2024.