Du mich in Dich aufnimmst, wie Du diese einfachen Blumen, die am Abend schon welken müßten, in's Feuer der Unsterblichkeit hältst und mir zurück giebst. -- Nennst Du das auch übersetzen, wenn der göttliche Genius die idealische Natur vom irdischen Menschen scheidet, sie läutert, sie enthüllt, sie sich selbst wieder anvertraut, und so die Aufgabe, seelig zu werden, löst? ja, Goethe, so machst Du die Seufzer die meine sehnende Liebe aus- haucht zu Geistern, die mich auf der Straße der See- ligkeit umschweben; ach, und wohl auch meiner Unsterb- lichkeit weit voraneilen.
Welch' heiliges Abentheuer, das unter dem Schutze des Eros sich kühn und stolz aufschwingt, kann ein herr- licher Ziel erreichen, als ich in Dir erreicht habe! Wo Du mir zugiebst mit Lust: Gehemmt sei nun zum Vater hin das Streben. -- O glaub' es: Nimmer trink' ich mich satt an diesen Liebesergießungen; ewig fühl' ich von brausenden Stürmen mich zu deinen Fü- ßen getragen, und in diesem neuen Leben, in dem meine Glückssterne sich spieglen, vor Wonne untergehn.
Diese Thränen, die meine Schrift verblassen, die möcht' ich wie Perlen aufreihen und geschmückt vor Dir erscheinen, und Dir sagen: vergleiche ihr reines Wasser mit deinen andern Schätzen, und dann solltest Du mein
Du mich in Dich aufnimmſt, wie Du dieſe einfachen Blumen, die am Abend ſchon welken müßten, in's Feuer der Unſterblichkeit hältſt und mir zurück giebſt. — Nennſt Du das auch überſetzen, wenn der göttliche Genius die idealiſche Natur vom irdiſchen Menſchen ſcheidet, ſie läutert, ſie enthüllt, ſie ſich ſelbſt wieder anvertraut, und ſo die Aufgabe, ſeelig zu werden, löſt? ja, Goethe, ſo machſt Du die Seufzer die meine ſehnende Liebe aus- haucht zu Geiſtern, die mich auf der Straße der See- ligkeit umſchweben; ach, und wohl auch meiner Unſterb- lichkeit weit voraneilen.
Welch' heiliges Abentheuer, das unter dem Schutze des Eros ſich kühn und ſtolz aufſchwingt, kann ein herr- licher Ziel erreichen, als ich in Dir erreicht habe! Wo Du mir zugiebſt mit Luſt: Gehemmt ſei nun zum Vater hin das Streben. — O glaub' es: Nimmer trink' ich mich ſatt an dieſen Liebesergießungen; ewig fühl' ich von brauſenden Stürmen mich zu deinen Fü- ßen getragen, und in dieſem neuen Leben, in dem meine Glücksſterne ſich ſpieglen, vor Wonne untergehn.
Dieſe Thränen, die meine Schrift verblaſſen, die möcht' ich wie Perlen aufreihen und geſchmückt vor Dir erſcheinen, und Dir ſagen: vergleiche ihr reines Waſſer mit deinen andern Schätzen, und dann ſollteſt Du mein
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Du mich in Dich aufnimmſt, wie Du dieſe einfachen
Blumen, die am Abend ſchon welken müßten, in's Feuer
der Unſterblichkeit hältſt und mir zurück giebſt. — Nennſt
Du das auch überſetzen, wenn der göttliche Genius
die idealiſche Natur vom irdiſchen Menſchen ſcheidet, ſie
läutert, ſie enthüllt, ſie ſich ſelbſt wieder anvertraut,
und ſo die Aufgabe, ſeelig zu werden, löſt? ja, Goethe,
ſo machſt Du die Seufzer die meine ſehnende Liebe aus-
haucht zu Geiſtern, die mich auf der Straße der See-
ligkeit umſchweben; ach, und wohl auch meiner Unſterb-
lichkeit weit voraneilen.
Welch' heiliges Abentheuer, das unter dem Schutze
des Eros ſich kühn und ſtolz aufſchwingt, kann ein herr-
licher Ziel erreichen, als ich in Dir erreicht habe! Wo
Du mir zugiebſt mit Luſt: Gehemmt ſei nun zum
Vater hin das Streben. — O glaub' es: Nimmer
trink' ich mich ſatt an dieſen Liebesergießungen; ewig
fühl' ich von brauſenden Stürmen mich zu deinen Fü-
ßen getragen, und in dieſem neuen Leben, in dem
meine Glücksſterne ſich ſpieglen, vor Wonne untergehn.
Dieſe Thränen, die meine Schrift verblaſſen, die
möcht' ich wie Perlen aufreihen und geſchmückt vor Dir
erſcheinen, und Dir ſagen: vergleiche ihr reines Waſſer
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/202>, abgerufen am 27.11.2024.
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